Biografie der Familie Ottenheimer

Recherche: Georg Emme

Die Familie Ottenheimer – Eine ganz normale jüdische Familie in Kaiserslautern.

Für die Familie Ottenheimer wurden 3 Stolpersteine verlegt. Eine Familie, die ihre Wurzeln nicht in Kaiserslautern hatte, aber zumindest länger in der Stadt Kaiserslautern lebte. Doch eigentlich wissen wir viel zu wenig, um exakt den Lebensweg der Familie nachzeichnen zu können.

Emil Ottenheimer war am 25.3.1934 in Kaiserslautern im Alter von 72 Jahren verstorben. Er ist auf dem jüdischen Teil des Kaiserslauterer Hauptfriedhof beerdigt worden.

Der Kaufmann Emil Ottenheimer wurde in der Gemeinde Gemmingen in der Nähe von Heilbronn am 27.04.1861 in eine große jüdische Familie geboren. Als Mitinhaber eines  „Kolonial- und Zigarrengeschäft en gros“ in Ludwigsburg, traf er hier auf seine spätere Frau Mina (Wilhelmine) Marx (1869-1946). Nach der Heirat und der Geburt der beiden Töchter Friederike (1891-1942) und Paula (1894-1942) zog die junge Familie von Ludwigsburg ins elsässische Strasbourg. Seit 1904 war die Familie Ottenheimer in Kaiserslautern wohnhaft in der Parkstrasse 27a.

Parkstraße 27a. Quelle: Stadtarchiv Kaiserslautern

Kaiserslautern und Mannheim waren die Lebensmittelpunkte der Familie Ottenheimer. So ist die Tochter Paula Ottenheimer, ledig und von Beruf Sekretärin, seit 1919 auch in Mannheim gemeldet. Schwester Friederike Ottenheimer, genannt Friedel, lebte als Geschäftsfrau und Kontoristin offiziell bis 30.11.1938 in Kaiserslautern. Doch es scheint offensichtlich, dass der Lebensmittelpunkt der Mutter und der Töchter zuletzt in der Collinistrasse 14 in Mannheim war. Seit 1915 war Friederike Ottenheimer auch an mehreren Orten in Mannheim gemeldet.

So wird auch an das Schicksal der Familie Ottenheimer im Mannheimer Denkmal, dem Glaskubus in den Planken in Mannheim erinnert.


Glaskubus in den Planken in Mannheim
Nr. 1/6/1         Friederike Ottenheimer
Nr. 1/43/8       Mina Ottenheimer
Nr. 3/5/9         Paula Ottenheimer
(Nr. der Tafel/Zeilen-Nr./Tafel)

Wilhelmine (Mina) Ottenheimer, geb. Marx (6.8.1869 – 17.09.1946) wurde in Baisingen bei Rottenburg am Neckar im heutigen Baden-Württemberg geboren. In Baisingen gab es eine große jüdische Gemeinde. Bis noch 2015 lehnt der damalige Ortsbeirat die Verlegung von Stolpersteinen im Ort ab. (s. Schwäbisches Tagblatt vom 10.12.2015.)

Die Hochzeit mit Emil Ottenheimer findet am 23.10.1890 in Horb/Neckar statt. Die Töchter Friederike (geb.1891) und Paula (geb.1894), werden in Ludwigsburg geboren. Mina Ottenheimer kommt von Gurs nach Noe und stirbt am 17.9.1946 in Mâcon/Frankreich in einem Hospiz an einem Herzversagen. Sie wird in Mâcon beigesetzt. Die Situation von Überlebenden der Lager Gurs und Noé sind ein Thema in der Forschung. So wird berichtet, dass 37 % der überlebenden Frauen sehr bald starben, aufgrund der schlechten Lebensverhältnissen und wohl auch aus Trauer, Scham und den erlebten Verlusten (siehe Cluny-Histoires d’histoire: Juifs en Saône-et-Loire, 1940-1944, S. 8).

Gurs – die Deportation der Familie

Am 22.10.1940 wurden die „lebende(n) transportfähigen Volljuden“, so der offizielle Aufruf zur Deportation nach Gurs auch die Mannheimer Juden in Züge gedrängt und drei Tage später bei dem französischen Dorf Gurs in das dortige Lager verschleppt. Das nationalsozialistische Deutschland führte alles haargenau aus:  C8,15 in der Mannheimer Kernstadt war die Meldeadresse und auf der Deportationsliste hatten die Ottenheimers die Nummern 4170, 4172 und 4174. „Friedel“ wurde wohl irrtümlich für ein männlicher Vornahme gehalten, so dass auf der Deportationsliste nach Gurs, der bei den Nazis übliche Vorname „Friedel Israel“ steht.

Deportationsliste Mannheim nach Gurs, aus: Statistik-des-holocaust.de

Das Lager Gurs bestand aus 14 Abteilungen (îlots) mit insgesamt 382 Baracken, die 24 Meter lang und 6 Meter breit waren. Die Verhältnisse waren fürchterlich: eine Toilettenanlage, die aus zwei Reihen von je 10 Latrinen bestanden und 1,10 Meter über dem Boden sich befanden, war für viele Ältere sehr beschwerlich diese zu benutzen. Über die Enge, die Kälte, die katastrophalen hygienischen Zuständen und über die mangelnde Ernährung liegen zahlreiche erschütternde Briefe und Augenzeugenberichte vor.

Das Lager Gurs

Für die Geschwister und die Mutter war dies der Beginn eines zweijährigen Martyriums.

Gurs war nicht die einzige Inhaftierung. Friederike und Paula werden auch mit ihrer Mutter noch nach Noé verbracht. Dass Mina Ottenheimer auch hierher kam, ist überliefert. Als die Lager aufgelöst wurden, werden die beiden Töchter in Drancy bei Paris inhaftiert. Von hier werden sie nach Auschwitz deportiert. Ihre Todesdaten sind nicht bekannt, aber der Tag des Abtransports: 12. August 1942.

Der Zug 901-13 verließ die Station Bourget Drancy Richtung Auschwitz am 12. August mit insgesamt 1007 Juden an Bord. Transportleiter war ein Feldwebel Möller. Gemäß dem Fahrplan für die erste Deportation aus Drancy im Juni 1942 nahm der Zug vermutlich die folgende Route:

Nach der Abfahrt aus Drancy passierte er Bobigny, Noisy-le-Sec, Épernay, Châlons-sur-Marne, Revigny, Bar le Duc, Lérouville und Novéant (Neuburg), den letzten Halt vor der deutschen Grenze. Er wurde von einem Offizier und 30 Männern der französischen Gendarmerie gemeinsam mit einem kleinen Kontingent der Feldgendarmerie bewacht, bevor er die Grenze in Novéant erreichte. Dort wurde die Wachmannschaft von der deutschen Ordnungspolizei abgelöst. Im November 1943 erstellte die Reichsbahn einen Fahrplan für die Transporte aus Frankreich ab diesem Datum. Für die Zeit davor verfügen wir über keine Unterlagen im Zusammenhang mit Fahrplänen von Transporten ab der französisch-deutschen Grenze nach Auschwitz-Birkenau, aber aller Wahrscheinlichkeit nach waren sie sehr ähnlich. Insofern haben die früheren Transporte nach Auschwitz, einschließlich dem aus Drancy vom 12. August 1942, ab der Grenze wohl die folgende Route genommen: Saarbrücken, Frankfurt am Main, Dresden, Görlitz, Nysa, Kattowitz und schließlich Auschwitz.

Die drei Stolpersteine der Familie Ottenheimer sind am 9. Oktober 2022 verlegt worden.

Wieder stehen wir hier und wissen über die Familie Ottenheimer sehr wenig. Dass Friederike Ottenheimer eine Kontorin war, also in einem Büro arbeitete und dass Paula Ottenheimer Sekretärin war, steht in der Meldekarteikarte. Was aber das Leben der beiden Frauen und Ihrer Mutter ausmachte, bleibt leider unbekannt. Welche Freundschaften und oder Partner hatten sie? Ein Foto existiert leider nicht.

Deshalb ist es auch so gut, dass wir heute an die drei Frauen erinnern mit der Verlegung der Stolpersteine in der Parkstrasse 27a in Kaiserslautern.

Die Stolpersteine der Familie Ottenheimer in der Parkstraße 27a in Kaiserslautern