Die Geschichte der Kaiserslauterner Stolperstein-Initiative

Seit 1997 pflegt das St. Franziskus-Gymnasium und die -Realschule intensiven Kontakt mit ehemaligen jüdischen Schülerinnen der Schule. Sr. Martina Schmidt, selbst Lehrerin an dieser Schule , ist tief beeindruckt von den Begegnungen mit den Überlebenden, von ihren persönlichen Lebensgeschichten. Die Frage, wie Gedenkarbeit nachhaltig weitergeführt und gestaltet werden kann, lässt sie nicht los. Als sie in Berlin auf „Stolpersteine“ stößt, findet sie darin eine Antwort auf ihre Frage. Zusammen mit ihren Mitschwestern stellt sie am 25.04.2012 beim Stadtrat einen Antrag zur Verlegung von Stolpersteinen in Kaiserslautern.

Die Stadt vertreten durch Bürgermeisterin Dr. Susanne Wimmer-Leonhardt und der Historiker Roland Paul , der seit vielen Jahren wissenschaftlich an der Frage der Verfolgung, Deportation und Tötung von Juden in der Pfalz arbeitet, und das Stadtarchiv unterstützen das Vorhaben. Detlev Besier, Stadtjugendpfarrer und Leiter der „Friedensinitative Westpfalz“ bietet die organisatorische Hilfe seines Vereins an. Gemeinsam wird erörtert, wie die Stolpersteinidee in Kaiserslautern verwirklicht werden könnte.

Beim ersten Treffen folgen etwa 60 Bürger Kaiserslauterns der Einladung, darunter viele aus den Bereichen Schulen, Kirchen, Politik, Universität, auch etliche ältere Menschen, die noch Zeitzeugen sind.

Die Initative wird ins Leben gerufen und nimmt ihre Arbeit in drei Arbeitsgruppen auf, eine Recherchegruppe, eine Organisationsgruppe und eine Gestaltungsgruppe.

Die erste Verlegung im August 2013 beginnt mit einem Demonstrationszug vom Bahnhof aus in die Innenstadt, da damals am 22. Oktober 1940 die jüdischen Einwohner Kaiserslauterns unter dem Gejohle von Mitbürgern zum Bahnhof zur Deportation nach Gurs getrieben wurden. Nun soll ihnen Ihre Würde wieder zurückgegeben werden, indem sie auf dem umgekehrten Weg wieder in die Stadt zurückgebracht werden. Die Teilnehmer des Zuges tragen Schilder mit den Namen der über 200 Opfer. Anschließend findet eine würdige Gedenkfeier mit etwa 250 Gästen in der neuen Eintracht statt. Familienangehörige der Opfer sind eigens zur Verlegung aus Frankreich und USA angereist. Am nächsten Tag werden dann die Stolpersteine von Gunter Demnig vor den Häusern der Opfer verlegt und in kleinen Gedenkfeiern die Biografien der Menschen vorgetragen.

2013 wird Sr. Martina Schmidt von ihrem Orden zur Leiterin der Provinz Bamberg gewählt und verlässt ihre Heimatstadt Kaiserslautern. Aus der Ferne begleitet sie nun die weitere Entwicklung der Initiative. Elisabeth Merkert, eine ehemalige Kollegin und Geschichtslehrerin am St. Franziskus-Gymnasium und -Realschule, und Georg Emme, Leiter des Betriebsbüros des SWR, treten dem Leitungsteam bei.

2014 und 2015 werden jeweils 19 neue Steine verlegt. Dabei lassen sich Institutionen Kaiserslauterns in die Gedenkarbeit einbinden. Der SWR veranstaltet 2014 einen Abend „Wellenbrecher“ mit Gesprächen mit Zeitzeugen, einer Überlebenden der 2. Generation und Musikern der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern. 2015 bringt sich das Pfalztheater Kaiserslautern mit Texten und künstlerischen Beiträgen ein.

Im Sendegebiet des SWR werden ‚Hörstolpersteine‘ ausgestrahlt, die über das Schicksal von NS-Opfern in Baden und der Pfalz berichten. Davon sind fünf Menschen aus Kaiserslautern.

Ein Informatikkurs von Schülerinnen des St.-Franziskus-Gymnasiums erstellt im Frühjahr 2015 die Homepage für die Stolperstein-Initiative. Damit werden die Biografien der Opfer auch öffentlich zugänglich und die Arbeit der Initiative erhält eine breite Plattform. Klaus Merkert, Informatiklehrer am Hohenstaufen-Gymnasium, ergänzt und pflegt die Homepage. Nach dessen Tod 2020 übertragen Jana Breßler und Michael Speckert die gesamte Homepage in ein modernes Format und übernehmen die Pflege.

Die Initiative erhält breite Unterstützung von vielen Privatpersonen und Institutionen, die Steine stiften oder sich durch Aktivitäten einbringen. So hilft die „Neue Arbeit Westpfalz“ mit bei der Verlegung der Steine, einzelne Bürger, Jugendgruppen aus den Kirchen und den Schulen recherchieren die Biografien der Opfer, viele Helfer bringen ihre Ideen bei der Gestaltung der Feiern ein. Die Rheinpfalz berichtet über die Aktivitäten in Wort und Bild.