Recherche: Roland Paul und Michael Wiesheu
Der 2023 verstorbene Historiker Roland Paul erstellte eine Kurzbiografie der Familie Strauß, die er bei der Gedenkfeier im Februar 2020 zusammen mit Schülerinnen und Schülern der Realschule plus Weilerbach – Westpfalzschule vortrug. Michael Wiesheu ergänzte sie 2023 durch weitere Lebensdaten.
Am 5. Februar 2020 wurden in der Kaiserslauterer Eisenbahnstraße 4c für Theodor Strauß, seine Frau Toni Bertha, geborene Eschwege, Sohn Hans, Sohn Kurt und Tochter Margarethe fünf Stolpersteine verlegt.
Die Familie ließ in der Eisenbahnstr. 4c in Kaiserslautern ein vierstöckiges Geschäftshaus errichten, wo sie ab 21.9.1901 auch mit Wohnsitz gemeldet war. Firma Strauß war für ihre elegante Damenmode in weiten Teilen der Pfalz bekannt.
Theodor und Bertha Strauß wurden am 07.Juli 1942 nach Theresienstadt verschleppt und 2 Monate später von dort in das Konzentrationslager Treblinka deportiert, wo sie ermordet wurden.
Die Kinder Hans Strauß (Rechtsanwalt) und Margarethe Falk, geb. Strauß konnten, gemeinsam mit deren Ehemann Wilhelm Falk und der Tochter Eva Falk, in die USA auswandern. Kurt Strauß hatte im Mai 1939 erfolglos versucht, nach Kuba zu emigrieren, wurde im Mai 1940 in Belgien festgenommen und wurde in Frankreich interniert. Er konnte aus dem Lager entkommen und gelangte 1941 über Lissabon in die USA.
Eine Urenkelin der Familie Theodor Strauß, Barbara Strauß, lebte im Jahr der Verlegung der Stolpersteine in New York City. Sie wurde eine bedeutende Professorin für Psychologie.
Weitere Informationen zur Familie Strauß:
Theodor Strauß wurde am 16. März 1865 in Kindenheim (Landkreis Dürkheim) geboren und heiratete die am 12. Oktober 1878 in Fulda geborene Bertha Eschwege. Sein Vater Moses Strauß stammte aus Kindenheim [1] . Bereits1884 eröffnete Moses Strauß ein Textilgeschäft in der Klosterstraße in Kaiserslautern. Später übernahm Theodor Strauß das Geschäft seines Vaters unter dem Namen „Manufaktur- und Konfektionsgeschäft Theodor Strauß GmbH“. Auch seine Schwester Frieda Strauß arbeitete im Laden mit [2]. Friederike, genannt Frieda, hatte 1894 in Kaiserslautern Moritz Ehrlich geheiratet.
Ab 1905/1906 befand sich ihr Wäschegeschäft in dem stattlichen Haus in der Eisenbahnstraße 4c, welches 1944 bei einem der schweren Bombenangriffe auf Kaiserslautern völlig zerstört wurde [3]. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 bekam das Kaufhaus immer mehr Probleme, letztendlich musste das Ehepaar Strauß Kaiserslautern verlassen.
Im Oktober 1937 zogen sie nach Berlin. Die Kinder von Bertha und Theodor Strauß emigrierten. Ihre Eltern wollten Deutschland nicht verlassen. Das Geschäft wurde von Johanna Zachares übernommen, die schon seit 1896 bei Theodor Strauß gearbeitet hatte und zu der ein Vertrauensverhältnis bestand.
Hans Strauß, geboren am 23. August 1902 in Kaiserslautern, studierte Jura an verschiedenen deutschen Universitäten und lebte in Köln und Gelsenkirchen, bis die Nationalsozialisten seine Berufsausübung 1933 jäh unterbanden. „Hans Strauss … war Rechtsanwalt in Köln, wurde aber 1933 als Jude aus dem Anwaltsberuf ausgeschlossen. Er übernahm die Leitung eines von Theodor Strauß und der Erbin von Frau Frieda Ehrlich neu erworbenen Unternehmens in Gelsenkirchen. Als das Geschäft infolge des Boykotts zu sinken begann, wurde es liquidiert.“ [4].
Mit seiner Ehefrau Ilse Bukofzer, geboren am 12. Oktober 1907 in Oldenburg, emigrierte er im Juni 1938 in die USA und wohnte in New York City [5]. Nach dem Krieg kehrte er nach Deutschland zurück (September 1947) und arbeitete in Frankfurt am Main [6]. In dieser Zeit habe er Johanna Zachares geholfen, das Bekleidungsgeschäft wieder aufzubauen: „Das Geschäftshaus Eisenbahnstraße 4c wurde wieder aufgebaut. … Zur Seite stand Johanna Zachares Hans Strauß, Rechtsanwalt und bei der amerikanischen Militärregierung in Frankfurt/Main tätig“ [7]. Doch scheint er wieder in die USA zurückgekehrt zu sein. Schon Am 10.3.1955 verstarb er in New York City [8].
Margarethe Strauß, geboren am 19. Januar 1906 in Kaiserslautern war verheiratet (Hochzeit in Kaiserslautern am 22.5.1932) mit dem am 23.8.1906 in Kaiserslautern geborenen Wilhelm Wolf Falk, gestorben am 15. August 1990 in New York City [9], [10].
Sie emigrierten im November 1938 von Berlin aus mit ihrer 5-jährigen Tochter Eva Strauß (geb. 15. März 1933 in Berlin) in die USA. 1950 lebten sie mit ihr und der nachgeborenen Tochter Barbara Strauß in New York City [11].
Kurt Strauß, geboren am 20. Juni 1907 in Kaiserslautern, hatte sich auf dem Luxus-Liner St. Louis eingeschifft, auf dem sich etwa 1000 jüdische Emigranten befanden und der am 13. Mai 1939 mit dem Ziel Kuba aufbrach. Doch die kubanische Regierung erkannte ihre Touristenvisa nicht an und erteilte keine Anlegeerlaubnis. Auch Versuche in den USA und Kanada anzulegen, scheiterten trotz starker Bemühungen des Kapitäns und jüdischer Organisationen. So musste das Schiff mit den Passagieren nach Europa zurückkehren. [12] Ein Nachfahre schrieb dazu:
„Als Jude verließ er Deutschland im Mai 1939 mit dem unglücklichen Dampfer „ST. LOUIS“ mit einem Einwanderungsvisum nach Kuba. Damals weigerte sich Kuba, über 1000 Juden auf der „St. Louis“ aufzunehmen. Das Schiff fuhr dann zurück nach Europa, und die Juden auf dem Dampfer wurden nach einer bestimmten Vereinbarung auf verschiedene europäische Länder verteilt. Die Verfolgten kamen dann nach Belgien. Dort wurde er im Mai 1940 verhaftet und von Belgien in das Lager St. Cyprien in Frankreich deportiert. Er blieb bis September 1940 in diesem Lager und flüchtete heimlich daraus. Danach lebte er verborgen in der Nähe von Juan Les Pins in Frankreich, immer in der Angst, verhaftet und deportiert zu werden. Am 14. Juni 1941 gelang ihm die Emigration über Lissabon in die USA.“ [13]
In der Aufarbeitung erregte das Schicksal der „St. Louis“ viel Aufmerksamkeit, was zu posthumen Entschuldigungen der damals abweisenden Länder führte (USA 2012, Kanada 2018). Im Hamburger Hafen befindet sich eine Gedenktafel, welche die „Irrfahrt“ der St. Louis beschreibt und an die Opfer erinnert.
Kurt Strauß rettete sich mit Not im Juni 1941 zu seinem Bruder Hans nach New York. Im April 1948 heiratete er Marianne Lori Fischer, geb. am 16. August 1927 in Breslau. Am 28. Mai 1949 wurde in New York ihre Tochter Linda Strauss geboren [15]. Die Familie lebte 1950 in New York City.
Von Theodor und Bertha Strauß erhielten ihre Kinder und Enkelkinder kein Lebenszeichen mehr. Im Gedenkbuch des Bundearchiv für die Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ist für sie vermerkt: „Deportation ab Berlin; 8. Juli 1942, Theresienstadt, Ghetto; 19. September 1942, Treblinka, Vernichtungslager.“ Seither fehlt von ihnen jede Spur.
Referenzen
[1] Genogramm der Familie bei „familysearch“: Theodor Strauss (1865–1942), Dina Toni Berta Eschwege (1878–1942) • Ansicht im Querformat • Familienstammbaum • FamilySearch
[2] Rinnert Melitta, Herr Karcher und Fräulein Benzino sowie weitere Kaiserslauterer Persönlichkeiten, 2017, S.48 u. 49
[4] s. „familysearch“: Kurt Strauss (1907–1969) • Person • Familienstammbaum • FamilySearch
[5] s. Anlage zum Familiengenogramm Hans Strauß bei familysearch: Hans Strauss, 245, 82d Congress, S. Res. 47 und S. Res. 120, S. 180 — FamilySearch.org
[6] Hans Strauss, 245, 82d Congress, S. Res. 47 und S. Res. 120, S. 180 — FamilySearch.org
[7] s. Rinnert Mellitta
[8] s. Familiengenogramm Hans Strauß bei „familysearch“
[9] s. „familysearch“: Wilhelm Wolf Falk (1906–1990) • Person • Familienstammbaum • FamilySearch
[10] Einwanderungsdokument siehe: New York, Southern District, U.S District Court Naturalization Records, 1824-1991; https://familysearch.org/ark:/61903/3:1:3QS7-L9HD-GX1R?cc=2060123&wc=M5PC-3T5%3A351595401
[11] s. Schiffsliste bei „familysearch“: New York, New York Passenger and Crew Lists, 1909, 1925-1957; https://familysearch.org/ark:/61903/3:1:33SQ-G5FL-T9N?cc=1923888&wc=MFKQ-738%3A1030082301
[12] Irrfahrt der St. Louis – Wikipedia
[13] Übersetzte Quelle übernommen von: familysearch: Kurt Strauss (1907–1969) • Person • Familienstammbaum • FamilySearch
[14] Irrfahrt der St. Louis – Wikipedia
[15] s. Einwanderungsdokument Marianne Strauß: Brooklyn. die Einbürgerungsurkunden 1946–1951 • FamilySearch