Vortrag am 09. November 2017 bei der Gedenkfeier zur Verlegung von Stolpersteinen für Oskar Brill und Adolf Höhn in Kaiserslautern von Philippe Haller
Liebe Gretel!,
Heute sind es 3 Jahre, daß ich in München verurteilt wurde, und von Dir mein Schatz auf 4 Jahre getrennt. Es war eine lange Zeit, aber nun geht es dem Ende entgegen. Nun kann ich sagen noch 6 Monate und ich bin wieder mit Dir vereint. Noch 3 Briefe und dann komme ich hoffentlich selbst […] 1
Das waren Worte von Oskar Brill, verfasst in einem Brief an seine Frau Gretel Brill am 10. Juli 1938 im Emslandlager Aschendorfer Moor, auch Lager II genannt. Entgegen seiner hier geäußerten Hoffnung wird Oskar Brill jedoch nach 5 Jahren in verschiedenen Zuchthäusern nicht aus der Haft entlassen.
Für Menschen wie Oskar Brill und Adolf Höhn – ihrerseits überzeugte Kommunisten – sah das NS-Regime keine Gnade vor.
Am 3. Januar 1939 wird von der Geheimen Staatspolizei in Berlin ein Schutzhaftbefehl gegen Oskar Brill erlassen. Infolge dieses Erlasses gelangt Oskar Brill nach 5 Jahren Haft in verschiedenen Zuchthäusern sowie dem Emslandlager Aschendorfer Moor nicht in die ersehnte Freiheit und in die Arme seiner geliebten Frau Gretel Brill zurück. Stattdessen wird er wie zahlreiche weitere Kommunisten, Sozialdemokraten und politisch Verfolgte in das KZ Buchenwald deportiert.
Im KZ Buchenwald wird Oskar Brill die nächsten 6 ½ Jahre von 1939 bis zur Befreiung am 11. April 1945 unter ständigem SS-Terror ausharren müssen.
Oskar Brill wurde am 17. Februar 1892 in Kaiserslautern geboren. Er war gelernter Schlosser und zwischenzeitlich hauptamtlicher Betriebsratsvorsitzender der Pfaff in Kaiserslautern, ehe er ab 1927 mit der Wirtschaftsführung begann. Von 1927 bis 1929 führte er die „Hopfenblüte“ in der Pariser Straße 124, anschließend von 1929 bis 1933 die „Hauswirtschaft Liebrich“ in der Mühlstraße 13 zusammen mit seiner Frau Gretel Brill, ehe die Nationalsozialisten ihm die Wirtschaftsführung verboten und Ihm somit die bisherige Existenzgrundlage entzogen.
Für die KPD saß er auch von 1925 bis 1929 im Stadtrat von Kaiserslautern und am 27. Oktober 1932 kam es in seinem Lokal zur Gründung des RFB (Roter Frontkämpferbund), dessen politischer Leiter er wurde.
Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 kam es in Kaiserslautern zu zahlreichen Hausdurchsuchungen und Verhaftungen von Kommunisten. Hiervon betroffen war auch Oskar Brill. Dieser wurde am 11. März verhaftet, eine Stunde später wieder freigelassen und schließlich eine Stunde später wieder verhaftet und in das KZ nach Neustadt verbracht.
Eine Stunde nach der Entlassung wurde ich von 6 SS.-Männern aus meiner Wohnung geholt und zur Sammelstelle gebracht und nach dem Sammellager Neustadt a.d.Haardt verbracht. Persönlich erfuhr ich keine körperliche Züchtigung, da ich der Wachmannschaft (SA) bekannt war, da dieselben aus meinem Heimatsort stammten. Dagegen wurden sehr viele Kameraden geprügelt, besonders jüdische, so daß einige Häftlinge Selbstmord verübten. 2
Vom 1. Mai 1933 bis zum 25. September 1934 befand er sich wieder in Freiheit, wobei er sich zweimal täglich bei der Polizei melden musste.
Zu dieser Zeit begann ein Prozess gegen ehemalige Mitglieder des RFB in Kaiserslautern, welchen die geplante Ermordung von Polizisten im Jahre 1932 vorgeworfen wurde, was jedoch nicht der Wahrheit entsprach. Die Falschbeschuldigungen gründeten sich auf den Aussagen von Karl Grub und Alois Leist, zwei ehemaligen Mitgliedern der KPD und Spitzeln für die NSDAP.
Durch diese Anschuldigungen wurde Oskar Brill im Juli 1935 zu 4 Jahren Zuchthausstrafe verurteilt und anschließend in Schutzhaft genommen, wodurch er von September 1934 bis April 1945 permanent inhaftiert gewesen war.
Am 10. Januar 1939 war meine Zuchthausstrafe verbüßt und wurde nach dem K.L. Buchenwald überführt. Der übliche Empfang auf der politischen Abteilung wurde wie üblich auch mir zuteil, Kopfschläge und Fußtritte empfing ich mehrere. 4 Stunden mußte ich mit dem Gesicht zur Wand an der sogenannten Klagemauer stehen. Am 9. und 10. Februar wurde ich nochmals in meiner Hochverratssache von einem Gestapobeamten aus meiner Heimat in der politischen Abteilung vernommen, dabei waren der Kriminalkommissar Klobsch und 4 SS.-Scharführer, darunter einer namens König. Klobsch schlug mir am ersten Tage gleich 2 Zähne ein und mein ganzer Körper war blau von Mißhandlungen. Der Abschluß der Vernehmung war, daß mir der Rapportführer Strippel ein Strick gab, womit der SS.-Scharführer König mich im Walde an einem Baum, in der üblichen Weise 2 Stunden aufhing, wobei er sagte: „Lump, Du bist zu viel“. Noch 20-30 Tage mußte ich jeden Abend nach der Arbeit über 2 Stunden am Eingangstor Strafe stehen. Sonst machte ich dann noch all das mit, was jeder Häftling im Lager dulden mußte. “ 3
Unter den Verurteilten die es besonders hart traf, fand sich auch Adolf Höhn. Dieser wurde am 09. Dezember 1896 in Kaiserslautern geboren, war von Beruf Former sowie Erdarbeiter, ehe er ab den Jahren 1927/28 arbeitslos wurde. 1932 fand er als Prototyp des einfachen Arbeiters mit sozialen und wirtschaftlichen Problemen zu dieser Zeit den Weg zur kommunistischen Bewegung; er wurde Mitglied der KPD und des RFB. Innerhalb beider politischen Gruppierungen blieb er ohne Funktion und somit einfaches Mitglied, was Ihn jedoch nicht vor der vollen Härte des NS-Terrors schützte.
Zusammen mit Oskar Brill wurde er im Juli 1935 nämlich ebenfalls zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach Verbüßung seiner Zuchthausstrafe wurde er vom 9. bis 11. Februar 1939 in das KZ Dachau deportiert. Vom 26. Bis zum 27. September 1939 wurde er in das KZ Buchenwald deportiert, am 12. März 1942 in das KZ Natzweiler-Struthof, da diese die Überstellung von 500 Häftlingen für Arbeiten im Steinbruch anforderten. Am 10. März 1943 kam er wieder in das KZ Buchenwald, wo er bis zur Befreiung 1945 an der Seite von Oskar Brill ausharren musste.
Die ihm in dieser Zeit zugefügten Leiden beschreibt er im Jahre 1954 u. a. folgendermaßen:
Während meiner Haftzeit in Dachau hatte ich eine schwere Agina, konnte 8 Tage überhaupt nichts essen und trinken und hatte 41 Grad Fieber. Nur die Angst vor der bewußten Spritze ließ mich nicht in ärztliche Behandlung gehen. […] Während meiner ersten Haftzeit in Buchenwald, im Jahre 1940/41 habe ich des öfteren Mißhandlungen erdulden müssen. Einmal erhielt ich mit einem Bremsknüppel schwere Schläge auf den Hinterkopf, den Schultern und der rechten Hüfte zusammenbrach. Kameraden schleppten mich aus der Reichweite meines Peinigers, des SS-Führers Kubitz. […] Als Folge dieser Mißhandlung hatte ich etwa 14 Tage lang Blut uriniert. Seit dieser Zeit habe ich auch des öfteren Kopfschmerzen bis zur Unerträglichkeit, die auch heute noch andauern und mich völlig arbeitsunfähig machen. […] Gelegentlich einer Begegnung wurden mir durch einen den Lagerführer Koch begleitenden SS-Mann ohne jeden Grund 4 Zähne eingeschlagen. 4
Diese nur bruchteilhafte Schilderung der Zustände in den KZ ist weitläufig bekannt. Dennoch lässt sich an ihr am Besten das Wesen des NS-Terrors erkennen. Dieser kombinierte nämlich auf perfide Art und Weise die absolute Organisation des Terrors bei gleichzeitiger absoluter Willkür des Terrors.
Beide Männer erlebten schließlich die Befreiung vom Joch des Faschismus, jedoch nicht ohne einen entsprechenden Preis dafür gezahlt zu haben, wie aus den dargestellten Erinnerungen wohl deutlich werden konnte.
Oskar Brill, weiterhin politisch aktiv für die KPD auf kommunaler Ebene und Landesebene, u.a. von 1945 bis 1948 Mitglied des Stadtrats der Stadt Kaiserslautern und auf Bestreben des damaligen CDU-Ratsherren Jean Lehmann auch 3. Beigeordneter mit dem Ressort Wiederaufbau, litt an verschiedenen körperlichen Gebrechen. Das „Baumhängen“ hatte in den Armen und Gelenken Spuren hinterlassen, dauerhaftes Husten sowie eine sich im KZ zugezogene TbC prägten sein Leiden. An der Tbc verschied Oskar Brill schließlich am 16. August 1956 nach ganzen 5 Kuraufenthalten sowie 5 verschiedenen behandelnden Ärzten. Oskar Brills Partei die KPD, für die er 127 Monate und 12 Tage, umgerechnet 10 ½ Jahre Widerstand gegen das NS-Regime geleistet hatte, wurde einen Tag nach seinem Tod am 17. August 1956 durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes erneut verboten.
Adolf Höhn litt nach der Befreiung im KZ Buchenwald am 11. April 1945 in der Folgezeit an einer Herzmuskellähmung, einer Leberschwellung, Magenschmerzen sowie an bis ans Ende seiner Tage auftretenden Kopfschmerzen. Ein ärztliches Gutachten aus dem Jahre 1954 bescheinigte Ihm zudem „(…) eine reaktive Depression als verfolgungsbedingte Leiden(…)“. 5 Im Jahre 1965 erlitt er überdies bei seiner Arbeit als Förster einen Herzinfarkt. Bis in die 1970er Jahre musste Adolf Höhn um eine angemessene finanzielle Wiedergutmachung gerichtlich streiten, da ihm die benannten Leiden nicht als Folge der KZ-Haft anerkannt wurden.
Adolf Höhn starb am 24. September 1973. In seinem Nachruf schrieb Gretel Brill, Witwe von Oskar Brill:
„Seine Treue und Kameradschaft in den schweren Jahren seiner KZ-Haft soll unvergessen bleiben.“ 6
Helden gibt es keine – aber Menschen die trotz aller Widerstände nicht aufgegeben haben. Zu diesen gehören die Kommunisten Oskar Brill und Adolf Höhn. Die politische Überzeugung und die Kameradschaft unter den Kommunisten haben dies ermöglicht. Der Speyrer Kommunist und ehemalige KZ Dachau Häftling Hugo Gerloff drückte dies in einem Interview im Jahre 1979 quasi stellvertretend für alle Kommunisten folgendermaßen aus:
[ …] das furchtbarste war vielleicht, wir waren eingesperrt, aber zeitlos. Der schwerste Verbrecher – und wenn er 20 Jahre bekommt – weiß, an dem Tag geh ich raus. Wir haben nur erlebt es wurde Frühjahr, es wurde Herbst, es wurde Winter, wir waren zeitlos, wir wussten nicht wann und wie. Hervorzuheben ist vor allen Dingen unter den politischen Gefangenen dieser ungeheure Zusammenhalt, Einer für Alle und Alle für Einen, nur so war es möglich zu überleben.
Anmerkungen:
1) Privatarchiv Philippe Haller: Haller, Philippe: „‘…sorge Du dafür, daß man mich nicht vergisst‘ Briefe des Kommunisten Oskar Brill aus 6 ½ Jahren KZ Buchenwald in die pfälzische Heimat“, hrsg. von Paul, Roland/ Becker, Klaus J./ Haller, Philippe, Unveröffentlichtes Manuskript, S. 173.
2) Vgl. ebenda, S. 77.
3) Vgl. ebenda, S. 91.
4) Vgl. Landesarchiv Speyer, Bestand J6, Nr. 8574.
5) Vgl. Anm. 2, S. 130.
6) Vgl. ebenda, S. 132.
Literatur:
Privatarchiv Philippe Haller: Haller, Philippe: „‘…sorge Du dafür, daß man mich nicht vergisst‘ Briefe des Kommunisten Oskar Brill aus 6 ½ Jahren KZ Buchenwald in die pfälzische Heimat“, hrsg. von Paul, Roland/ Becker, Klaus J./ Haller, Philippe, Unveröffentlichtes Manuskript
Archivquellen:
Landesarchiv Speyer, Bestand J6, Nr. 8574
Privatarchiv Philippe Haller: Vorläufige Tonbandmitschrift zu Hugo Gerloff, Januar 1979
Philippe Haller, Am Hölzel 30, 67433 Neustadt an der Weinstraße
philippe.haller@t-online.de