Recherche: Roland Paul
Stolpersteine für Mitglieder der Familie Elbert: Ecke St. Martins-Platz/Steinstraße, gesetzt für Berthold Elbert, Dr. Max Eugen Elbert und Richard Joseph Elbert
Im Jahre 1882 zog der am 27. Dezember 1859 in Haßloch als Sohn des Getreidehändlers Abraham Elbert und seiner aus Böchingen stammenden Frau Friederike Meyer geborene Kaufmann Berthold, genannt Bartholomäus Elbert nach Kaiserslautern. Er wohnte vier Jahre in der Steinstraße 19 bei den Geschwistern Wagner, zog am 2. September 1886 in die Spittelmühlstr. 12 und am 1. September 1891 in die Steinstraße 8.1
Berthold Elbert gründete 1882 ein Kolonialwaren- und Delikatessengeschäft, das er bald durch mehrere Filialen erweiterte.
Am 24. Oktober 1885 heiratete er in Kaiserslautern Franziska, genannt Frieda Reinhard, die am 30. Oktober 1861 in Kaiserslautern als Tochter des Handelsmannes Joseph Reinhard und seiner Frau Philippina Kahn geboren wurde. Dem Ehepaar wurden drei Söhne in Kaiserslautern geboren:
- Joseph Richard, * 25.2.1886,
- Paul Friedrich, * 14.6.1888,
- Max Eugen, * 20.5.1891.
Im Jahr 1909 unterhielt die Firma Elbert in der Pfalz insgesamt 17 Verkaufsstellen für Kolonialwaren und Delikatessen.
Das Logo der Firma Elbert trägt ein Motto, das Lateinische „Semper avanti“ (Immer nach vorne, immer weiter).
Hier eine von vielen Werbeanzeigen der Fa. Elbert.
Die Firma Elbert war eine der ersten Firmen in Kaiserslautern, die Rabattbücher einführte.
Während Joseph Richard und Paul Friedrich Elbert den Kaufmannsberuf erlernten und ins elterliche Geschäft eintraten, studierte Max Eugen nach dem Abitur am Humanistischen Gymnasium Kaiserslautern, dem heutigen Albert-Schweitzer-Gymnasium, in Würzburg Jura und promovierte zum Dr. jur.
Alle drei Brüder nahmen am Ersten Weltkrieg teil.2 Die Eltern waren glücklich, dass sie alle den Krieg einigermaßen heil überstanden hatten.
Paul Friedrich Elbert starb allerdings schon am 21. Dezember 1931 im Alter von erst 43 Jahren. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof in Kaiserslautern bestattet.
Dr. Max Eugen Elbert zog nach dem Ersten Weltkrieg nach Mannheim und ließ sich dort als Rechtsanwalt nieder. Nachdem der Fortbestand seiner Kanzlei durch den Boykott am 1. April 1933 bereits sehr erschwert wurde und er in Deutschland keine weitere Existenzgrundlage für sich sah, emigrierte er 1937 zu seinem Onkel August Elbert nach New Rochelle im Staat New York.3
1938 war ein sehr trauriges Jahr für die Familie Elbert: Am 10. Juli 1938 starb Frieda Elbert, geb. Reinhard im Alter von 76 Jahren in Kaiserslautern. Im Spätsommer 1938 mussten Berthold Elbert und sein jüngster Sohn Richard die von den Nationalsozialisten veranlasste Sprengung der Synagoge in Kaiserslautern erleben.
Das Geschäft der Elberts lief seit dem Boykott am 1. April 1933 schon lange nicht mehr gut. Berthold und Richard Elbert konnten sich hauptsächlich durch die Produktion eines speziellen Tapetenreinigungsmittels, „Tapeton“ genannt“, über Wasser halten.4
(Foto Richard Elbert) Richard Elbert wurde nach der sogenannten „Kristallnacht“ am 10. November 1938 in das Konzentrationslager Dachau deportiert. Durch die Intervention seines amerikanischen Onkels wurde er Anfang 1939 aus Dachau entlassen und emigrierte nach England.5
In der Zwischenzeit, am 20. Dezember 1938, hatte Berthold Elbert seinen Wohnsitz in der Steinstraße 8 in Kaiserslautern verlassen und ist nach Mannheim, Werderstr. 31, gezogen. Von dort zog er 1939 in die Sophienstr. 18 in Mannheim um.6
In Mannheim erhielt Berthold Elbert die Nachricht, dass sein jüngster Sohn Max Eugen Elbert im Alter von 58 Jahren in New York verstorben ist, ein schwerer Schicksalsschlag für ihn, der nun innerhalb von wenigen Jahren seine Frau und seine beiden Söhne verloren hatte.
Am 22. Oktober 1940 wurde Berthold Elbert von Mannheim aus zusammen mit seinem Schwager Bernhard Reinhard und dessen Frau Rosa, geb. Auerbach nach Gurs deportiert. Das Ehepaar Reinhard hatte bis 1935 eine Filiale der Fa. Berthold Elbert, Kolonialwarenhandlung in Frankenthal geführt.7
Berthold Elbert konnte Gurs im Januar 1941 verlassen und durfte sich in Gan bei Pau aufhalten. Die Aufenthaltsgenehmigung wurde am 30. April 1941 vom Präfekten des Départements Basses-Pyrénées verlängert. Wegen einer Unterleibserkrankung kam Berthold Elbert im Juni 1941 in eine Klinik in Pau.8 Dort starb er am 7. Juli 1941.9
Er wurde offenbar auf dem jüdischen Friedhof in Portet-sur-Garonne bei Toulouse bestattet, da der dortige Gedenkstein seinen Namen trägt.
Sein Neffe Dr. Paul Heisel, bezeichnete Berthold Elbert als einen energischen Mann, als weltoffen, „ein weit überdurchschnittlich begabter, königlicher Kaufmann“.10
Richard Elbert lernte 1939 in London bei der aus Landau nach England emigrierten Familie Metzger, Irene Emsheimer kennen, die 1901 in Landau geboren wurde und im Mai 1938 nach England emigriert war. Irene Emsheimer arbeitete damals als Haushälterin bei einem älteren Ehepaar in Greenford bei London. Antisemitische Äußerungen der Tochter dieses Ehepaars ihr gegenüber veranlassten Irene Emsheimer, diese Stelle kurzfristig zu kündigen. Sie begab sich daraufhin zu ihren Verwandten, der schon erwähnten Familie Metzger nach Blackburn, die ihr dort ein Zimmer und eine Stelle bei einer vermögenden Familie besorgte, wo sie ein Jahr als Hausangestellte arbeitete. Noch 1939 verlobte sie sich mit Richard Elbert. 1940 wechselte sie den Arbeitsplatz und erhielt eine Stelle bei der Universal Leathers Company.11 Beide heirateten am 8. Juni 1944 in Blackburn. Richard Elbert arbeitete von 1942 bis 1952 als Angestellter der Fa. Hamilton & Co., Publishers and Fine Art Prints in Blackburn. Er wurde 1947 englischer Staatsbürger.
1952 kam das Ehepaar Elbert nach Kaiserslautern zurück. Alex Müller, der damalige Oberbürgermeister der Stadt Kaiserslautern, und der Kaufmann Franz Goebel, ein alter Freund von Richard Elbert, hatten das Ehepaar Elbert zur Rückkehr in die Pfalz ermuntert. In ihr Anwesen in der Steinstraße konnten sie aber nicht einziehen. Es war lange Zeit unbewohnbar. Das Ehepaar Elbert wohnte einige Jahre in der Weißgerberstraße und zog dann in das sogenannte Europahaus in der Fruchthallstraße. Dort starb Richard Elbert am 8. November 1961. Sein Vetter Dr. Paul Heisel schrieb in seinem Beileidsbrief an die Witwe u. a.:
„An Deiner Seite konnte er in England den Zusammenbruch abwarten. Es ist ihm ganz sicher während dieser Jahre eine hohe Gabe des Schicksals gewesen, daß er Dich als verläßliche Lebensgefährtin um sich wußte in allen schlimmen Lagen. Er hat auch sehr tief das Geschick seiner Eltern miterlebt, vor allem das des Vaters, den er sehr geschätzt hat. Und doch hat er in all diesen Schreckenszeiten einen köstlichen Humor zur Schau getragen, der aus einem unerschütterlichen Optimismus und dem Glauben an einen guten Kern der Menschheit kam.“
Eines der letzten Fotos von Irene Elbert. Sie überlebte ihren Mann um 32 Jahre und starb am 8. Juli 1993 in Kaiserslautern. Beide fanden auf dem jüdischen Friedhof in Kaiserslautern ihre letzte Ruhestätte.
Annotationen:
1) Stadtarchiv Kaiserslautern, Meldekartei.
2) Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Militärstammrollen Erster Weltkrieg.
3) New York Passenger Lists, 1820-1957.
4) Mitt. Elisabeth Goebel, Kaiserslautern, 10.5.2017.
5) Mitt. Irene Elbert, Kaiserslautern, an R. Paul am 10.3.1989.
6) StA Kaiserslautern, Wegzüge Juden; StA Mannheim, Datenbank Mannheimer Juden, Nr. 4075.
7) Roland Paul, Pfälzer Juden und ihre Deportation nach Gurs. Schicksale zwischen 1940 und 1945. Biographische Dokumentation, Kaiserslautern 2017, S. 219 und 296f.
8) ADPA, Best. 72 W, art. 97.
9) Sterbeurkunde im Nachlass von Irene Elbert; Grabsteininschrift jüd. Friedhof Kaiserslautern.
10) Brief Dr. Ing. Paul Heisel, Göggingen bei Augsburg, an Irene Elbert, 13.11.1961.
11) Mitt. Irene Elbert an R. Paul, Kaiserslautern, 6.10.1990.