Biografie Paula Gutmann

Recherche: Dr. Doris Lax

Die letzten beiden Kerzen, die wir entzünden sind Lichter für die Geschwister Paula Gutmann, geborene Simon, und Gustav Simon, die das Schicksal der Deportation mit den vielen anderen jüdischen Kaiserslauterern teilten und dennoch natürlich auch ein ganz individuelles Schicksal, eine ganz eigene Biographie hatten, die wir ebenfalls dem Vergessen entreißen wollen.

Paula Gutmann, geborene Simon, wurde am 30. März 1877 als drittes und letztes Kind des jüdischen Ehepaares Isaak Simon und Friederike, geb. Mayer, in Kaiserslautern geboren und lebte, so die Meldekarte der Stadt, bis zum 1. Februar 1933 im elterlichen Anwesen in der Steinstraße 35, das im Besitz der Familie war. Sie wurde am 22.10.1940 bei der Oktoberdeportation ins Lager Gurs deportiert, schließlich 1944 aus dem Camp de Roc befreit und wanderte in die USA aus, wo sie 1958 verstarb.

Von Paula sind keine Bilder mehr vorhanden, aber in einem Papier der französischen Behörden des Département Basses-Pyrénees aus dem Jahr 1942 findet sich eine detaillierte Personenbeschreibung der 65-Jährigen: Sie war eine kleine, nur 1,53 große, „proportionierte“ Frau mit grauen, an der Vorderseite schon lichten Haaren, einer kleinen, geraden Nase und einem schmallippigen, kleinen Mund im ovalen, als gelblich beschriebenen Gesicht mit kleinen Rotstellen auf den Wangen. Am 27.6.1901 heiratete Paula den Mannheimer Kaufmann Theodor Gutmann, doch die Ehe wurde schon am 25.3.1902 wieder geschieden, kurz vor der Geburt von Tochter Margarethe Luise, die im Alter von nicht einmal drei Jahren am 9.1.1905 starb.

Paula Gutmann blieb fortan unverheiratet und lebte im Haushalt ihres Bruders Gustav Simon, mit dem zusammen sie dessen Tochter Johanna Henriette, genannt Henny, nach dem frühen Tod der Mutter aufzog. (Das eingeblendete Bild zeigt Henny mit ihrem Mann Siegbert Schwarz an ihrem 60. Hochzeitstag um das Jahr 1995 herum.)

Henny Schwarz geb Simon
Henny Schwarz, geb. Simon (Gustav Simons Tochter), mit Ehemann Siegbert Schwarz, USA ca. 1995

Für Paula, ihren Bruder und dessen Tochter änderte – wie bei allen jüdischen Mitbürgern – die Machtübernahme der Nazis alles. Die Familie musste das Haus in der Steinstraße 35 am 1. Februar 1933 veräußern – wahrscheinlich, wie in den meisten anderen Fällen, zu einem Spottpreis – und zog zunächst in die Amselstraße, am 3. August 1933 dann, wiederum nur für etwa ein halbes Jahr, in die Von-der-Tannstraße 35.

Nachdem Henny Simon, die Lehrerin geworden war, im April 1934 nach Würzburg übersiedelt war, zogen Paula und ihr Bruder am 2.10.1934 in die Schneppbachstraße 5 um. Wie alle der im Jahr 1935 noch in Kaiserslautern verbliebenen jüdischen Mitbürger wurden die beiden schließlich am 5. November 1935 in eines der sogenannten „Judenhäuser“ in die Klosterstraße. 26 zwangsumgesiedelt, um am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert zu werden.

Im August 1942 stellte Paula, nachdem ihr Bruder in Gurs verstorben war, bei den französischen Behörden einen Antrag auf Emigration zu ihrer Nichte in die USA. Nachdem, noch in Kopie vorhandenen Unterlagen der französischen Behörden zufolge, sowohl die Erklärung der Nichte, für ihre Tante vollständig aufzukommen, wie auch die Reservierung einer Schiffspassage von Marseille aus für Ende August und die notwendige Einreiseerlaubnis vom US-Konsulat vorlagen, ist unklar, weshalb Paula schließlich doch nicht emigrieren durfte.

Stattdessen wurde sie bis 1. Juni 1943 in Gurs festgehalten, dann bis 1. Dezember 1943 in Douadic und dann im Camp de Roc interniert, das schließlich am 20. August 1944 befreit wurde.

Die Emigration in die USA gelang Paula Gutmann erst Ende 1946, so dass sie am 13. Januar 1947 amerikanischen Boden betreten konnte. Sie lebte in der Nähe ihrer Nichte in Brooklyn, wo sie zwei Wochen vor ihrem 81. Geburtstag starb.

Quellen:

  • Meldekarten der Stadt Kaiserslautern
  • Gedenkbuch (Stand Januar 2018) Roland Paul: Die nach Gurs deportierten pfälzischen Juden, S. 69.
  • Unterlagen der französischen Behörden (Basses-Pyrènees) bez. Emigration (Kopie, zur Verfügung gestellt von Dr. B. Blendiger-Kagon) Mail von Frau Ilse Spatz (Nichte von Siegbert Schwarz, Ehemann von Henny, geb. Simon), New York City, Februar 2010 (Kopie, zur Verfügung gestellt von Dr. B. Blendiger-Kagon)
  • Foto von Henny und Siegbert Schwarz an ihrem 60. Hochzeitstag, ca. 1995 (Kopie, zur Verfügung gestellt von Dr. B. Blendiger-Kagon) Gespräche mit Frau Dr. Barbara Blendinger-Kagon, Enkelin von Gustav Simon