Recherche: Georg Emme
Am 29.10.2018 wurden 4 Stolpersteine für die Familie Kohlmann vor dem Haus Marktstraße 50 in der Kaiserslauterer Innenstadt gesetzt. Einst war hier an der Hausecke das Schuhgeschäft „Badenia“ von Bernhard und Elsa Kohlmann.
Schon in Pirmasens war seit 1911 eine „Schuhagentur und ein Kommisionsgeschäft“ und eine „Schuhwarenagentur“ gemeldet. Bernhard Kohlmann, der schon 1909 aus Kirchheim bei Frankenthal nach Pirmasens gezogen war, ist mit Elsa Günzburger bekannt. Die Kassiererin bei Albert Wolff in der Hauptstrasse von Pirmasens war schon 1899 aus Emmendingen nach Pirmasens gekommen. Beide heiraten 1924. Die Söhne Werner Arnold (*12.06.1925) und Herbert Philipp (*18.05.1927) werden in Pirmasens geboren.
1932 zieht die junge Familie nach Kaiserslautern, zuerst in die Karlstrasse 7, dann später in die Marktstrasse 50, unmittelbar in der Nachbarschaft ihres „Badenia-Schuhgeschäftes“.
Werner und Herbert gehen in die jüdische Sonderklasse in der Röhmschule. Die Fotos auf den erhaltenen Schülerausweisen sind überliefert und geben einen Eindruck.
Beide sind auch auf dem Klassenfoto zu erkennen. Die Jüdische Sonderklasse existierte bis zur Pogromnacht am 9.11.1938.
Bernhard Kohlmann (1884-1942) Elsa Kohlmann (1889-1942)
Die Drangsalierungen der jüdischen Bevölkerung nimmt seit 1938 zu. Lapidar heißt es in der Meldekarte der Familie Kohlmann, dass am 22.Oktober 1940 die Kohlmanns „evakuiert“ werden. Gemeint ist hiermit die Deportation der jüdischen Bevölkerung nach Gurs/Frankreich. Bernhard und Elsa Kohlmann gehören zu denjenigen „46 transportfähigen Volljuden“ aus Kaiserslautern, die in ihren Wohnungen festgenommen und abtransportiert werden. In Güterwagen unter schlimmen Bedingungen werden über 6500 Juden aus Baden und der Pfalz und dem Saargebiet auf Betreiben des Gauleiters Robert Wagner und Josef Bürckel aus ihrem Leben gerissen. Dank Roland Paul ist heute die Deportationsgeschichte recherchiert.
Bernhard und Elsa Kohlmann werden im Lager Gurs in unterschiedlichen Baracken interniert.
Das Lagerdorf in Gurs bestand aus 14 Abteilungen (Ilots) mit insgesamt 382 Baracken, die 24 Meter lang und 6 Meter breit waren und eine Höhe von 2,50 Meter hatten. In jedem Ilot waren 1800 Menschen untergebracht. Wie viele Internierte, beantragten auch die Kohlmanns am 26.3.1941 bei der Lagerverwaltung die Entlassung aus Gurs, um in die USA auszuwandern. Kurz daraufhin wird Bernhard nach Les Milles bei Aix-en-Provence „verlegt“. Elsa folgt ihm bald, bevor beide nach Drancy bei Paris abgeführt werden. Drancy ist der Sammelpunkt für die jüdischen Menschen in Frankreich. Am 17. August 1942, im Transport Nr. 20, werden Bernhard und Elsa Kohlmann nach Auschwitz deportiert.
Direkt nach Ankunft werden beide ermordet.
„Am 17.08.1942 um 8:55 Uhr verlässt der Transport 20 (901-14) den Bahnhof Bourget-Drancy mit 997 Personen darunter 341 Kinder im Alter von zwei bis zehn Jahren und 323 Mädchen im Alter bis zu 16 Jahren. Die Menschen waren im Internierungslager für Juden und unerwünschte Elemente Drancy inhaftiert. Ziel dieses Transportes war das KZ Auschwitz. Der Zug erreicht Auschwitz am 19.08.1942. Nach der Selektion werden aus diesem Transport 65 Männer und 35 Frauen als Häftlinge in das Lager eingewiesen. Die übrigen 897 Menschen werden der „Sonderbehandlung“ zugeführt. 3 Männliche Personen aus diesem Transport haben den Krieg überlebt.
Der Transport vom 17. August 1942 umfasste 301 Erwachsene, die aus dem Lager Les Milles nach Drancy transferiert worden waren, und etwa 530 Kinder unter 16 Jahren, die man aus den Lagern im Département Loiret herbeigeschafft hatte.
Odette Daldroff, die in Drancy interniert war, erinnerte sich an die Vorbereitung dieses Transports:
„Wir versuchten eine Liste von Namen zu erstellen; dabei wurden wir von einer tragischen Sache überrascht: Die Kleinen kannten ihre Namen nicht. Vor ihrer Abfahrt wurde allen Deportierten der Kopf geschoren, auch den Kindern beiderlei Geschlechts… Ein Junge brach in Tränen aus. Er war um die fünf Jahre alt. Er war hübsch, mit blonden Locken, die nie zuvor geschnitten worden waren; er wiederholte ständig, dass er sein Haar nicht geschnitten bekommen wolle, dass seine Mutter seine Locken so liebe und dass sie ihn nicht mehr erkennen würde, wenn sie sich wiederfänden.“
Der Zug 901-15 verließ die Station Bourget-Drancy am 17. August um 8:55 Uhr Richtung Auschwitz mit etwa 1000 Juden an Bord. Transportleiter war ein Feldwebel Brandt. Gemäß dem Fahrplan nahm der Zug vermutlich die folgende Route: Nach der Abfahrt aus Drancy passierte er Bobigny, Noisy-le-Sec, Épernay, Châlons-sur-Marne, Revigny, Bar le Duc, Lérouville und Novéant (Neuburg), den letzten Halt vor der deutschen Grenze. Er wurde von einem Offizier und 30 Männern der französischen Gendarmerie gemeinsam mit einem kleinen Kontingent der Feldgendarmerie bewacht, bevor er die Grenze in Novéant erreichte. Dort wurde die Wachmannschaft von der deutschen Ordnungspolizei abgelöst. Die Transporte nach Auschwitz, einschließlich dem aus Drancy vom 17. August 1942, ab der Grenze wohl die folgende Route genommen: Saarbrücken, (also über Kaiserslautern), Frankfurt am Main, Dresden, Görlitz, Nysa, Kattowitz und schließlich Auschwitz..
Quelle: Gedenkstätte Yad Vashem
Werner Kohlmann (12.06.1925 – wahrscheinlich nach 22.03.1942)
Herbert Kohlmann (18.05.1927 – wahrscheinlich nach 22.03.1942)
Die Städtische Meldekarte bescheinigt, dass Werner und Herbert Kohlmann in Kaiserslautern am 18.04.1940 abgemeldet wurden. Die Recherche hat ergeben, dass beide nach Fürth in das Jüdische Waisenhaus „in Obhut“ gegeben werden. Das traditionsreiche Waisenhaus in der Julienstrasse hatte einen guten Ruf. Der Leiter Dr. Issak Hallemann bestand, trotz der Umstände, auf die Vermittlung von guter Bildung und Erziehung. Die Unterbringung war im 3 Bett-Zimmer mit streng geregelten Tagesablauf. In keiner der überlieferten Fotos sind Werner und Herbert überliefert.
„Die Jungen besuchten die jüdische Grundschule… wer fähig war, ging anschließend in die jüdische Realschule im Rückgebäude. Die Waisenerzieher überwachten die Hausaufgaben und erteilten Nachhilfeunterricht…. Das tägliche Leben war durch eine straffe Tagesordnung geprägt…“. (Fürther Geschichtsblätter3/10)
Der Leiter Dr. Issak Hallemann und seine Frau Clara entscheiden bei den jüdischen Waisenkindern zu bleiben. Sie und die beiden Töchter werden gemeinsam am 22.03.1942 aus Fürth deportiert. In diesem letzten Transport waren auch Werner und Herbert Kohlmann. Ihre Deportation ist namentlich aufgeführt am 24.03.1942.
Mit einem Lastwagen werden die letzten Bewohner des jüdischen Waisenhauses aus Fürth nach Nürnberg gebracht. Dort wartet schon der Zug DA 36. Die Abkürzung DA(vids)züge mit 1000 Menschen ist abfahrtsbereit in das polnische „Durchgangslager Izbica“ in der Nähe von Lublin. Die Fahrt in den verschlossenen Wagen dauerte 3 Tage. Damit es bei den Internierten nach Ankunft zu keiner Revolte kommt, bringt man die Gefangenen in einem „normalen Dorf“ unter. Den im Reich verbliebenen Juden sollte suggeriert werden, dass Izbica ein normales „Arbeitslager im Osten“ sei. Wegen der Überfüllung und der hygienischen Verhältnisse ist Izbica aber ein Todeslager. Von dort gehen täglich Züge nach Belcek und Solibor.
Man weiß, dass viele jüdische Menschen direkt nach Ankunft in Izbica erschossen wurden. Die Spur von Werner und Herbert Kohlmann verliert sich hier.