Vortrag von Walter Warstat, Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten – VVN-BdA Kaiserslautern am 29.8.2013.
Wir wollen hier einen Stolperstein für den Arbeiter und Kommunisten Otto Michel, geb. am 5.4.1898 verlegen.
Otto Michel war Mitglied einer kommunistischen Widerstandsgruppe um den in Kaiserslautern bekannten Oskar Brill. Diese Gruppe wurde von einem Spitzel verraten. Am 14. März 1933 wurde er, zusammen mit noch zirka 40 Antifaschisten, morgens aus dem Bett heraus verhaftet und anschließend „von bis an die Zähne bewaffneten Schupo – SA und SS“ ins frühe Konzentrationslager Neustadt an der Haardt – heute Neustadt an der Weinstraße, transportiert.
Am 19.3.1933 wurde er entlassen und ging in das unter Verwaltung des Völkerbundes stehende Saarland und kehrte vermutlich am 30.3.1933 nach Kaiserslautern zurück.
Nach seinen Erzählungen veröffentlichte die im Saarland erschienene Arbeiter – Zeitung einen Bericht über die Zustände im KZ Neustadt.
Mit „viehischen Gummiknüppelattacken“ habe man die Häftlinge gezwungen, das Deutschland -und Horst – Wessel – Lied zu singen. Einem Kommunisten, der bei einer Leibesvisitation ironisch gelächelt habe, hätte ein SA – Mann viermal ins Gesicht geschlagen.
Ein Schwerkriegsbeschädigter, bei dem eine Zigarre gefunden worden sei, sei zusammengeschlagen worden, anschließend hätten „die Rohlinge noch auf ihm herumgetrampelt“. Bei dem Versuch, zwei junge Männer zu einem Geständnis zu pressen, seien diese derart misshandelt worden, dass ihre Schmerzensschreie bis auf die Straße zu hören gewesen seien. Einer der Beiden habe sich daraufhin aus einem Fenster im dritten Stockwerk gestürzt und sei am folgenden Tag an den schweren Verletzungen gestorben. In der Öffentlichkeit habe die Lagerleitung verbreitet, der junge Mann sei durch Selbstmord ums Leben gekommen. Durch eine Denunziation wurde die Urheberschaft Michels an dem Artikel polizeibekannt. Richard Jäger von der Politischen Polizei, ließ ihn festnehmen und in Untersuchungshaft bringen. Die Strafanzeige wegen Verstoßes gegen die „Verordnung zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung“ schloss Jäger mit dem Vermerk ab: „Es steht fest und ist auch durch den inkriminierten Artikel erneut bewiesen, dass die Einstellung des Michel total staatsfeindlich ist.“ Das Sondergericht Frankenthal bestrafte Michel am 31. Mai 1933 wegen „Behauptung unwahrer Tatsachen“ zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis.
Vom 10.7.1935 bis 10.7.1938 saß er wegen der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens im Zuchthaus Straubing ein.
Einer Verfügung der Gestapo Neustadt vom 10.6.1938 zufolge, wurde Otto Michel durch Erlass des Geheimen Staatspolizeiamtes vom 02.6.38, nach seiner Strafverbüßung am 10.7.38 in Schutzhaft genommen und in das KZ Buchenwald übergeführt.
Eine Fülle von Schutzhaftprüfungstermine, (in der Regel alle 3 Monate) gingen für Otto Michel negativ aus.
Hier zwei Beispiele:
Die Gestapo Berlin teilte am 05.6.39 per Fernschreiben mit, dass die Schutzhaft verlängert wird. Neuer Haftprüfungstermin: 15.8.39. Das KZ Buchenwald hat am 11.5.39 folgendes berichtet:
„Die Führung und Arbeitsleistungen des M. im Lager haben noch keine Besserung erfahren. Sein politisches Verhalten lässt noch sehr zu wünschen übrig. M. ist ein eifriger Anhänger der KPD, der auch hier im Lager versucht, mit den hier ebenfalls Einsitzenden kommunistischen Elementen ständig Verbindung zu halten. Eine Entlassung befürworte ich nicht“.
Schutzhaftprüfungstermin 15.11.39
„… Nach dem letzten Führungsbericht des KZ Buchenwald ist M. nach wie vor ein eifriger Anhänger der KPD. Mit den im Lager einsitzenden kommunistischen Elementen hält er ständig Verbindung. Gemäß Erlass des Chefs der Sicherheitspolizei u. des SD vom 24.10.39, (llg.) muss während der Kriegszeit von kriminell erheblich vorbestraften Staatsfeinden abgesehen werden. Im Hinblick auf das politische Vorleben des M. und seine vielen Vorstrafen kann daher die Entlassung nicht befürwortet werden. Schutzhaftverlängerung zum 15.2.1940 wird deshalb vorgeschlagen…“
Zu den im Lager einsitzenden „kommunistischen Elementen“, mit denen er angeblich ständig Verbindung hielt, können durchaus seine alten Kampfgefährten Oskar Brill und Adolf Höhn gehört haben, die sich ebenfalls im KZ Buchenwald befanden.
Das Konzentrationslager Buchenwald teilte am 13.3.42 der Gestapo Neustadt mit, dass der Häftling am 13. März 1942 auf Anordnung des Inspekteurs der K.L. nach dem K.L Ravensbrück überführt wurde.
Mit nur 44 Jahren ist Otto Michel am 14.9.42 im KL. Ravensbrück verstorben. Angeblich an einem Herzkollaps bei akutem Darmkatarrh.