Biografie Familie Robert Tuteur

Recherche: Bernadette Künzel-Geiler, Anna Zoller, Barbara Zoller

Die Familie lebte in Kaiserslautern in der Straße Am Altenhof 17. Es wohnten der verwitwete Großvater Leopold Tuteur, der Vater Robert Tuteur und der Sohn Herbert zusammen. Robert Tuteurs Frau Anny Prölsdörfer war bereits gestorben.

links Herbert Tuteur und rechts Dr. Robert Tuteur (Foto: Privatbesitz)

Vita Dr. Robert Tuteur

Dr. Robert Tuteur wurde am 28.4.1882 in Kaiserslautern geboren. Er war das dritte von 4 Kindern des Lederwarenhändlers Leopold Tuteur und dessen Frau Johanna geb. Adler. Nach dem Abitur am Humanistischen Gymnasium studierte er in Berlin, München und Würzburg Jura. 1907 promovierte er in Würzburg und war ab 1908 in Kaiserslautern als Rechtsanwalt zugelassen. 1933 wehrte er sich erfolgreich gegen den Versuch, ihm diese Zulassung zu entziehen, so dass er bis November 1938 weiter in seinem Beruf tätig bleiben konnte. Dr. Robert Tuteur war mit der aus Karlsruhe stammenden Anny Prölsdörfer verheiratet, mit der er einen Sohn, den 1919 geborenen Herbert, hatte. Anny starb bereits 1927. Dr. Robert Tuteur wohnte zusammen mit seinem Sohn und seinem ebenfalls verwitweten Vater Am Altenhof 17 (ehemals Karlstraße), dort befand sich auch seine Kanzlei.

Am Altenhof 17 um 1935
Am Altenhof 17 (rechts im Bild) um 1935
(Foto: Stadtarchiv)
Am Altenhof 17 um 1925
Am Altenhof 17 um 1925
(Foto: Stadtarchiv)

Am 10. November 1938 wurde er verhaftet und kurz darauf in das KZ Dachau gebracht, wo er am 12.11.1938 eintraf. Sein Mitgefangener Dr. Willy Katz aus Dahn berichtet in einem Brief vom Februar 1939 von den schlimmen Haftbedingungen im Lager, wo in einem Raum 200 Menschen zusammengepfercht waren. Bei eisiger Kälte gab es nur eine Hose und einen dünnen Kittel als Bekleidung. Die hygienischen Verhältnisse und die Ernährung waren äußerst schlecht, ständig waren die Häftlinge Misshandlungen ausgesetzt. Täglich starben mindestens 30 Menschen, darunter am 1.12.1938 auch Dr. Robert Tuteur, der sich wohl aus Verzweiflung das Leben nahm.

Seine Asche ist auf dem jüdischen Friedhof in Kaiserslautern im Grab seiner Frau beigesetzt. Der Grabstein trägt die Inschrift: „Die Erde hier birgt seit dem 16. September 1927 die Hülle meiner teuren Lebensgefährtin, meiner lieben Mutter, unserer unvergesslichen und herzensguten Anny Tuteur, geborene Prölsdörfer. Hier ruht mein guter Vater, ein Opfer der schweren Zeit, Dr. Robert Tuteur, *28.4.1882 + 1.12.1938“

Grabstein der Eheleute Anny und Dr. Robert Tuteur
Grabstein der Eheleute Anny und Dr. Robert Tuteur
(Foto: VVN-BdA Kaiserslautern)

Quellen:

  • http://www.christen-und-juden.de/html/dahn_pogr02.htm(Zugriff: 5.9.2013)
  • Kestel, Willi: Schicksale jüdischer Juristen in Kaiserslautern während der Zeit des Nationalsozialismus, in: 125 Jahre Pfälzische Rechtsanwaltskammer Zweibrücken, Zweibrücken 2004, S. 87 – 109
  • Meldekarte für Dr. Robert Tuteur im Stadtarchiv Kaiserslautern
  • http://www.vvn-bda-kl.de (Zugriff 5.9.2013)
  • Weber, Reinhard: Das Schicksal jüdischer Rechtsanwälte in Bayern nach 1933, München 2006

Herbert Tuteur

Herbert Tuteur wurde am 2. Juni 1919 in Karlsruhe als Sohn von Dr. Robert Tuteur und Anny Tuteur geboren. Seine Familie lebte in der Straße Am Altenhof 17, die damals Karlsstraße genannt wurde, in Kaiserslautern. Er besuchte das Humanistische Gymnasium, heute Albert-Schweizer-Gymnasium. Nach Ostern 1936 hatte er die 10. Klasse beendet und emigrierte nach London. Dort legte Herbert Tutuer im September 1938 einen dem Abitur ähnlichen Abschluss ab. Sein Studium begann er in Genf und emigrierte im September 1937 in die USA. Beruflich wurde er Certified public accountant und Mitbegründer der Firma Meisel,Tuteur & Lewis PC, Roseland. Herbert Tuteur heiratete Sylvia Love und bekam mit ihr die Kinder Robert I. Tuteur, geboren am 25.01.1946, und Gail-Ann Tuteur, geboren am 25.05.1948. Er hat sieben Enkel und zehn Urenkel. Herbert Tuteur starb am 10.01.2013 in North Wales im Bundesstaat Pennsylvania.

Herbert Tuteur schrieb vor seiner endgültigen Emigration nach USA drei Briefe an seinen Schulfreund Ludwig Merkert, die 2006 wieder gefunden wurden. Ludwigs Tochter, Beatrix Merkert, fasste sie zusammen und las bei der Steinverlegung daraus vor.

Herbert Tuteur war der beste Freund unseres Vaters. Die beiden saßen in der Schule immer nebeneinander und haben sich auch nach dem Unterricht getroffen. Nach der 10. Klasse, Ostern 1936, verließ Herbert Kaiserslautern Richtung London. Sein treu sorgender Vater hatte mit viel Weitsicht die Emigration seines einzigen Kindes vorbereitet, was dem 16-jährigen aller Wahrscheinlichkeit nach damals nicht bewusst war. Er schreibt bis zu seinem endgültigen Abschied von Deutschland und Europa mehrmals an unseren Vater. Im ersten Brief vom 8. Mai 1936 steht er ganz unter dem Eindruck der Weltstadt London, die er nach einer von ihm als „selten herrlich“ erlebten überfahrt erreicht: „Wolkenloser Himmel, eine vollständig glatte See. Es war unbeschreiblich schön.“ „…unser Ziel: London. Du wirst meine Gefühle begreifen können.“ „Die Untergrundbahn ist eine Einrichtung , von der man sich kein Bild machen kann“, so Herbert, „und es ist auch unmöglich sie zu beschreiben.“ Und weiter: „Von der Ausdehnung Londons kann man sich keinen Begriff machen. Es ist ungefähr die Entfernung Kaiserslautern – Neustadt.“ Die Ausstattung der Schule empfindet er als hervorragend. Er weiß von seinem Vater aber auch, wer „Klaßleiter“ ist an der alten Schule, dem altsprachlichen Gymnasium seiner Heimstadt, nämlich der strenge, aber hoch geschätzte Herr Kirchner. Und er hat viele Fragen: Wer geht nach der Mittleren Reife wieder aufs Gymnasium, wer hat die Schule verlassen? Welche Lehrer haben die einstigen Mitschüler? Haben sie gute oder schlechte Noten? Bep, Sepp, Pfützner und Holz sollen gegrüßt und alle interessanten Stadt- und Schulereignisse mitgeteilt werden. Neben dem Gefühl, auf eigentümliche Weise privilegiert zu sein, ja ein Abenteuer zu erleben, gibt es auch Heimweh: „Ich hoffe unbedingt, von dir bald einen schönen, großen und ausführlichen Brief zu haben, denn du glaubst nicht, wie sehr man sich hier in der Fremde (!) mit Post von zu Hause freut.“

Im September des gleichen Jahres legt Herbert in London mit Bravour die „Matric“ ab und hat damit, wie er sagt, „drei Jahre Penalsitzen“ gespart. Er geht nach Genf, um an der Universität Französisch zu lernen, und schreibt an seinen Freund: „Ich habe eine sehr interessante Zeit hinter mir.“ Wie anders klingt der letzte Brief, verfasst Mitte September 1937, ehe er endgültig auswandert. Aus ihm spricht ein junger Erwachsener, der sich der politischen Situation völlig bewusst ist.

Originalbrief Herbert Tuteurs

Nach dem Krieg fragte Herbert beim Altsprachlichen Gymnasium nach, ob Ludwig Merkert den Krieg überlebt habe, ob man wisse, wo er lebe. Er hatte den Krieg überlebt und war inzwischen Arzt in Kaiserslautern. Herbert war ab den 60er Jahren einmal im Jahr zu Besuch in der alten Heimat, begleitet von seiner wunderbaren Frau Sylvia. Erst als ihm sein Alter das lange Reisen nicht mehr erlaubte, war die Freundschaft auf Anrufe über den Atlantik hinweg angewiesen. Nach dem Tod unseres Vaters hat er uns Kinder angerufen. Seinen gütig zur Seite gelegten Kopf und seine warme Stimme, seine Anerkennung für Deutschlands Ringen um den rechten Umgang mit der Vergangenheit und seine Treue zu uns allen werden wir nicht vergessen.

Am 29. August 2013 wurde für Herbert und Robert Tuteur ein Stolperstein verlegt.

Rede Robert Tuteurs

Robert Tuteur, der Sohn von Herbert Tuteur und Enkel von Dr. Robert Tuteur, der mit seiner Frau Ann aus USA angereist war, hielt anlässlich der Steinverlegung diese kleine Rede (übersetzung aus dem Englischen durch Elisabeth Merkert):

Ich möchte, auch im Namen meiner Frau und meiner Familie und im Namen meiner Schwester, die heute nicht da sein kann, und deren Ehemann und Familie, für die Gelegenheit danken, ein paar Worte zu sagen über meinen Vater, Herbert Tuteur, und meinen Großvater, Robert Tuteur, nach dem ich benannt bin. Ich möchte auch Sr,. Martina, den Schwestern und der St. Franziskus Schule für ihr Engagement in diesem Projekt danken, das dem schrecklichen Unrecht, das Juden, Deutsche und andere in den 1930er und 40er Jahren erduldeten, ein wenig Anerkennung bezeugt und die Erinnerung an meinen Vater und meinen Großvater bewahrt. Es ist mir eine Ehre, hier zu sein.

Mein Vater kam 1937 im Alter von 17 Jahren in die Vereinigten Staaten, nachdem er sechs Monate in England verbracht hatte, um dort seine Hochschulzulassung zu erwerben und um Englisch zu lernen. Die Zeiten waren hart für ihn in Amerika, aber er arbeitete tagsüber und besuchte abends das College, um dann Wirtschaftsprüfer zu werden. über die mehr als 50 Jahre seines Berufslebens erwarb er sich eine sehr geachtete Stellung als ein herausragender Fachmann mit Leitungsfunktionen im Staate New Jersey. Ich bin überzeugt, dass die Erziehung meines Vaters in Deutschland zu innerer Stärke, zu harter Arbeit und Gründlichkeit ihm das Rüstzeug gegeben hat, seine Ausbildung zu durchlaufen und eine amerikanische Erfolgsgeschichte zu leben.

Mein Vater hatte das Glück, meiner Mutter, Sylvia Tuteur, zu begegnen, die Lehrerin war. Sie heirateten 1942 und waren bis zum Tode meiner Mutter 1997 54 Jahre lang ein Paar. Sie hatten zwei Kinder, diese zwei Kinder haben wiederum zusammen sieben Kinder und diese sieben Kinder haben bis heute zehn Kinder. So war mein Vater gesegnet mit sieben Enkeln und zehn Urenkeln, als er am 10. Januar 2013 im Alter von 93 Jahren starb. Und so hoffen wir, dass die Familie Tuteur noch über viele Generationen bestehen wird.

Mein Vater hätte , wie so viele andere, leicht seine deutsche Herkunft in diesen schweren Zeiten hinter sich lassen können, doch hat er sie nie vergessen. über all die Jahre hat er Kontakt zu seinen Jugendfreunden Ludwig Merkert und Günther Ackermann und ihren Familien gehalten und sie regelmäßig bei seinen jährlichen Reisen nach Deutschland besucht.Ich möchte mich besonders bei Elisabeth Merkert und Beatrix Merkert und der ganzen Familie bedanken, dass sie sich in diesem Projekt engagieren und meine Frau und mich eingeladen haben, heute ein Teil davon zu sein. Ich hoffe, dass die Familien Tuteur und Merkert die Verbindung und Freundschaft aufrechterhalten können, die unsere Väter über so viele Jahre unter so schwierigen Bedingungen gepflegt haben.

Aufgrund der Geschehnisse, deren wir heute gedenken, hatte ich nie die Möglichkeit, meinen Großvater kennen zu lernen, aber ich weiß, dass er ein Rechtsanwalt war wie ich heute auch und dass mein Vater auch als junger Mann sehr fürsorglich zu seinem Vater war, der schon verwitwet war, als mein Vater erst sieben Jahre alt war. Er war der einzige Mensch, der meinen Vater zu dem Menschen herangebildet hat, der er war. Es ist wirklich eine Ehre, ihm seiner heute zu gedenken.

Nochmals vielen Dank.

Englische Version

On behalf of myself, my wife and our family, and my sister, who is not here today, and her husband and their family, I would like to thank you for the opportunity to say a few words about my father, Herbert Tuteur and my grandfather, Robert Tuteur, for whom I am named. I would also like to thank Sister Martina, the Franciscan Sisters and the St. Francis School for their commitment to this project, which in some small measure, recognizes the terrible injustices that many, both Jewish, German and others, endured in the 1930’s and 1940’s and preserves the memory of my father and grandfather. It is an honor to be here.

My father came to the United States in 1937 at the age of 17, after spending about 6 months in England to get his high school diploma and to learn English, and a short return to Kaiserslautern. Times were hard in America, but he worked during the day and put himself through college by going at night and becoming a Certified Public Accountant. Over the years of his career of more than 50 years, he earned a reputation among his peers as a preeminent certified public accountant-with leadership positions in his profession in the State of New Jersey. I am convinced that my father’s German upbringing of fortitude, hard work and attention to detail, enabled him to get his education and become an American success story.

My father had the good fortune to meet my mother, Sylvia Tuteur, who was a school teacher. They married in 1942 and were married for 54 years until my mother’s death in 1997. They had 2 children, those 2 children had 7 children and those 7 children presently have 10 children. So my father was blessed with 7 grandchildren and 10 great-grandchildren at the time of his death this past January 10, 2013, at the age of 93 years old and the Tuteur family will hopefully endure for many generations to come.

While my father, like many others, could have easily forgotten his German heritage, given those difficult years, he never forgot it. He has maintained contact all these years with his boyhood friends, Ludwig Merkert and Gunter Ackermann and their families, and enjoyed their families‘ company on his regular annual trips to Germany. I would like to especially thank Elizabeth Merkert and Beatrice Merkert and the Merkert Family for their involvement in today’s project and for encouraging my wife and me to be a part of it. I am hopeful that the Tuteur and Merkert families can continue the relationship and friendship that our fathers maintained for so many years, some of them under the most trying of circumstances.

For the reasons we are here today, I never had the opportunity to know my grandfather, but I do know that he was a lawyer, as am I, and that my father, even as a young man, was very protective of his father, who had been widowed when my father was about 7 years old and had been the sole individual who raised my father to be the person he became. It is truly an honor to recognize him today. Again, thank you.