Biografie Anna Geczynsky geb. Auerbach

Recherche: Bernadette Künzel-Geiler

Anna Auerbach war eine emanzipierte und mutige junge Frau.

Als jüngstes Kind der jüdischen Familie Auerbach wurde sie 1905 in Zloczow (Galizien) geboren und kam mit drei Jahren nach Kaiserslautern, wo sie in ihrem Elternhaus in der Kerststraße 22 wohnte.

Als ihr Vater 1921 starb, war sie erst 16 Jahre alt, was sicherlich dazu beitrug, dass sie früh selbstständig wurde.

Sie arbeitete als Verkäuferin in den Schuhgeschäften ihres Bruders Leo und ihres Schwagers Josef Schönfeld. Schon mit 21 Jahren leitete sie für ein Jahr eine Filiale der Familie in Worms1.

Als sie 24 war, starb auch ihre Mutter. So erklärt es sich, dass sie ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Schwester Jetty Schönfeld und deren drei Kindern entwickelte.

Im Dezember 1935 folgte sie Familie Schönfeld nach Paris, denn in Deutschland sah sie für sich keine Zukunft mehr. Das Haus in der Kerststraße stand vor der Zwangsversteigerung und auch die Familie ihres älteren Bruders Leo musste dort ausziehen. Nichte Erna saß bereits auf gepackten Koffern für die für den Februar geplante Auswanderung nach Palästina.

Anna Fritz Fred
Anna geb. Auerbach mit ihren Neffen Fritz und Manfred Schönfeld im Innenhof des Louvre in Paris, 1934 (Foto: Privatbesitz Michal Auerbach)

In Paris scheint sich Anna ebenso wie ihr Schwager Josef Schönfeld im Umfeld der Freiwilligen Internationalen Brigaden, die gegen das Franco-Regime in Spanien kämpften, bewegt zu haben. Jedenfalls lebte sie im Mai 1939 mit Ludwig Geczynski, einem ehemaligen Spanienkämpfer zusammen2.

Ludwig kam 1896 in Berlin zur Welt, war aber ebenfalls polnischer Staatsangehöriger3.

Im Februar 1940 heiratete das Paar in Oloron Ste. Marie, einem Ort in den französischen Pyrenäen, nicht weit entfernt von Gurs.

Wahrscheinlich währte die gemeinsame Zeit nicht lange, denn Ehemann Ludwig scheint sich wie der Schwager Josef alsbald den polnischen Exilstreitkräften angeschlossen zu haben, schon bald nämlich befand er sich in einem Internierungslager in der Schweiz, in dem zahlreiche Mitglieder dieser Armee in aussichtsloser Lage Zuflucht fanden und so den Krieg überstanden.

Gezwungen durch die Kriegsverhältnisse zog Anna Geczynski, wie sie nun hieß, nach Béziers (Hérault) am Mittelmeer, wo sie zweimal von der Gestapo verhaftet, aber durch Intervention des Bürgermeisters wieder befreit wurde4.

Nach der Besetzung des Südens Frankreichs im November 1942 wurden die Juden dieser Region gezwungen in das Département Corrèze umzusiedeln.

Die deutschen Truppen bereiteten sich nämlich auf eine Invasion durch die Engländer und die Amerikaner am Mittelmeer vor. Daher stellte aus Sicht der Deutschen die Anwesenheit ausländischer Juden auf einem 30 km breiten Streifen an der Küste von den Pyrenäen bis zur Rhône eine Gefahr dar.

So kam es, dass in den ersten Januartagen 1943 mehr als 500 Menschen ins Département Corrèze strömten, davon wurden etwa 110 Menschen nach Meymac geschickt. Dort galt es eine Wohnung zu finden und sich mit Gelegenheitsarbeiten und dem Ersparten durchzuschlagen5. Das Leben in dem kleinen Städtchen Meymac, das inmitten herrlicher Natur gelegen ist, erscheint idyllisch und friedlich. Hier brauchte man z.B. keinen gelben Stern zu tragen und wurde von den meisten Mitbürgern gut behandelt. Dennoch darf man nicht übersehen, dass es Gefangenschaft war, denn der Ort durfte nicht verlassen werden6.

Am 18. April 1944 endete das Leben in scheinbarer Sicherheit. Bei einer Razzia wurden mindestens 60 Juden des Ortes verhaftet und mussten die Nacht in einer Scheune verbringen. Am folgenden Tag brachte ein Zug sie zunächst nach Limoges und dann ins Lager Drancy7. Von dort aus wurde Anna mit dem Transport Nr. 72 am 29.4.1944 nach Auschwitz deportiert8.

Anna Geczynski in Paris
Anna Geczynski, geb. Auerbach (Foto: Privatbesitz Michal Auerbach)

In Meymac wurde am Bahnhof eine Gedenktafel mit den Namen der identifizierten Deportationsopfer angebracht. An diesem Ort wird an jedem Jahrestag der ermordeten Menschen gedacht.

Es ist noch hinzuzufügen, dass diese Recherche nur dadurch ermöglicht wurde, dass sich Anna Auerbachs Nichte Michal (Erna) daran erinnerte, dass sie nach dem Krieg den Hinweis erhielt, dass ihre Tante Herrn J. L. Geczynski geheiratet hatte. Da auf der Deportationsliste der Geburtsname der Tante fehlte, erschien deren Schicksal zunächst nicht aufklärbar, denn unter dem Namen „Anna Auerbach“ war keine Information zu finden.

Gedenkstein am Bahnhof von Meymac
Gedenktafel am Bahnhof von Meymac, der Nachname Geczynski hier in der falschen Schreibung „Gersinski“ (Foto: Mme Teixier)
Anna in Frankreich
Anna in Frankreich, Quelle der Karte: wikipedia

Anmerkungen:

1) Meldekarte Moses Auerbach, Meldekarten für Anna Auerbach in Kaiserslautern und Worms
2) Dossier 29681, Seite 1 W 752, Archives de la Préfecture de police, Paris; vgl. auch Martin Sugarman, Against Fascism, Jews who served in the International Brigade in the Spanish Civil War, www.archive.vn/Zpf6, aufgerufen am 18.08.2018, nennt den Namen Ludwig Geczynski in einer Liste deutscher Brigadisten.
3) Akte 209912, Amt für Wiedergutmachung in Saarburg, S. 1
4) Akte 209912, Amt für Wiedergutmachung in Saarburg, S. 2-4; weitere Informationen zum Internierungslager in der Schweiz unter: https://www.infosperber.ch/Politik/12500-Polen-fanden-ihre-Rettung-in-der-Schweiz
5) Paul Estrade: „De trois rafles, l´une“ in: Meymac – Maussac (14 – 19 avril 1944) – retour sur une tragédie enfouie“, 2. Aufl. 2006, Hrsg.: Association pour la Mémoire des Déportés de Meymac, S. 40 ff.
6) Paul Estrade, S. 52 ff.
7) Paul Estrade, S. 25-26
8) Le Mémorial de la déportation des Juifs de France, Béate et Serge Klarsfeld, Paris 1978; auf der Website mémorialdelashoa.org findet man eine Quittung aus dem Lager Drancy, wo Anna Geczynski die Abnahme ihrer Wertsachen bescheinigt wird.
9) Paul Estrade, S. 61-62

Quellen:

  • Akte 209912, Amt für Wiedergutmachung Saarburg
  • Dossier 29681, Seite 1 W 752, Archives de la Préfecture de police, Paris
  • Paul Estrade: „De trois rafles, l´une“ in: Meymac – Maussac (14 – 19 avril 1944) – retour sur une tragédie enfouie“, 2. Aufl. 2006, Hrsg.: Association pour la Mémoire des Déportés de Meymac
  • www.infosperber.ch/Politik/12500-Polen-fanden-ihre-Rettung-in-der-Schweiz
  • Klarsfeld, Béate et Serge: Le Mémorial de la déportation des Juifs de France, Paris 1978
  • Meldekarten Anna Auerbach, Kaiserslautern und Worms
  • Meldekarte Moses Auerbach, Kaiserslautern
  • www.mémorialdelashoa.org Zugriff 28.07.2018
  • Sugarman, Martin, Against Fascism, Jews who served in the International Brigade in the Spanish Civil War, www.archive.vn/Zpf6 , aufgerufen am 18.08.2018