Recherche: Michael Wiesheu
Am 12. Oktober 2015 wurden für Dr. Kurt Basch in der Mozartstraße 51, sowie in der Kerststraße 29-31 für seine Mutter Johanna Basch und seine Schwester Käthe Bachmann, geborene Basch, Stolpersteine verlegt (siehe Biografie Johanna Amalie Basch und Käthe Regine Bachmann).
Familie Basch – Von Posen in die Pfalz:
Vater: Sigismund Basch
*29.05.1863 in Buck, Provinz Posen1
Mutter: Basch Johanna Amalie, geb. Kirschner
*7.Mai.1868 in Posen
Kinder:
Katharina Regina
*17.05.1894 in Posen
Kurt
*7. Oktober 1897 in Kaiserslautern
Erich
*18.11.1901 in Kaiserslautern
Katharina, das älteste der 3 Kinder, wurde wie die Eltern im damals preußischen Posen geboren. Wenige Monate nach ihrer Geburt zog die Familie im Oktober 1894 nach Kaiserslautern. Dort kamen ihre Brüder Kurt und Erich zur Welt.3
Kurt Basch wurde ein bekannter und beliebter Hausarzt in Kaiserslautern.
Über sein Leben ist einiges überliefert. Aus der Zeit seiner fast 6 Jahre andauernden Verfolgungsodyssee von 1938 bis 1945 liegen verschiedene Berichte vor. Man erhält einen Eindruck, wie dieser Menschenfreund unter dem Haß der Nationalsozialisten leiden mußte.
Im Elternhaus der Basch-Kinder, Kerststraße 29 – 31 in Kaiserslautern, gab es schon 1898 eines der größten Warenhäuser der Stadt.4
Sigismund Baschs Familie betreibt das Warenhaus Hermann Tietz
Vater Sigismund Basch hatte dieses Kaufhaus übernommen; es war ein Geschäft der großen reichsweiten Warenhauskette Hermann Tietz, – gewissermaßen das älteste Hertie-Kaufhaus in Kaiserslautern.5, 6
In diesem Haus wuchs Kurt mit seiner älteren Schwester Käthe und Bruder Erich auf.
Kurt Basch wird Arzt
Kurt war 15 Jahre alt, als sein Vater starb. Doch trat er nicht wie seine beiden Geschwister in das Handelsgeschäft seiner Familie ein, sondern studierte nach dem Abitur Medizin.
Während des 1. Weltkriegs wurde Kurt Basch eingezogen. Am 12. September 1918 wurde gemeldet, daß er eine leichte Verwundung erlitten hatte.7
Er wurde Arzt und eröffnete seine erste Allgemeinpraxis im Elternhaus8, später in der Kaiserstraße 2 und zuletzt in der Mozartstraße 51.9
Mit Fanny Harter, geboren am 3. März 1893 in Diersburg bei Offenburg, gründete er eine Familie. Im Dezember 1929 wurde ihr Sohn Dieter geboren und katholisch getauft. Fanny war keine Jüdin, sondern katholische Christin.
Die Familie von Kurt Basch:
Ehefrau:
Fanny Basch, geborene Harter, katholisch
* 3.3.1893 Diersburg bei Offenburg
† 7.9.1974 Kaiserslautern
Sohn:
Dieter Basch
* 29.12.1929 Kaiserslautern
† 16.9.2010 Kaiserslautern
Der Terror der Nationalsozialisten trifft Kurt Basch in der Pogromnacht unerwartet brutal
Für Juden bedeutete die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 das Ende des freien Lebens und Arbeitens. Die Berufsausübung wurde drastisch eingeschränkt.
Kurt Baschs Freund Erich Lüth11 hatte geraten, sich in Sicherheit zu bringen, doch Kurt Basch habe geantwortet:
„Niemand hat ein Recht, mich aus meiner Wohnung und aus meiner Heimat zu vertreiben. Auch HITLER nicht.“ 12
Der Pogrom in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 war für Kurt Basch jedoch das Ende seiner Freiheit und der Beginn einer jahrelangen Odyssee. In der ganzen Stadt wüteten Nazi-Horden in den jüdischen Wohnungen und Geschäften. Die Praxis und die Wohnung wurden verwüstet. Kurt Basch wurde festgenommen, im Polizeigefängnis eingesperrt13 und danach mit anderen jüdischen Männern durch eine feixende Menschenmenge zum Rot-Kreuz-Haus in der Augustastraße gebracht.14
Erich Lüth kam nach der Pogromnacht von einer Reise aus Berlin nach Kaiserslautern zurück und sah die Schäden an den jüdischen Geschäften in den Straßen von Kaiserslautern.
„Ich fragte die Kollegen: „Wo ist die Familie [Basch]?“ Und ich erfuhr, daß [Kurt Basch] verhaftet worden sei. Man hatte auch ihm Plakate auf Brust und Rücken gehängt mit irgendeiner widerlichen Inschrift … .
Lüth traf Frau Basch zu Hause an und sah die völlig verwüsteten Wohn- und Praxisräume.
„Da schrillte plötzlich die Hausglocke. Die Frau sagte fast tonlos: ´Das ist die Polizei!´. Sie drängte mich in den Nebenraum. … Vor den Büchern, die wir noch eben zu ordnen versucht hatten, … stand ein Mann in Zivil. Bleich, mit hängendem Kopf. Ein Polizist, Kriminalbeamter.
´Was wünschen Sie?´ hörte ich die Stimme der Frau. Und der Polizist antwortete in einer Kläglichkeit, die grauenhaft war: ´Ich wollte mich entschuldigen … . Ich hatte nicht den Mut, mich zu widersetzen. Ich gehorchte. Ich wollte meine Stellung nicht verlieren. Sie wissen, meine Kinder.´ …Und dann sprach der Mann von seiner Tochter, die der jüdische Arzt, unser Freund, aus schwerster Krankheit, vielleicht vom Tode, errettet hatte.“ 15
Konzentrationslager Dachau und Flucht in die Niederlande
Dr. Kurt Basch, der Arzt, der die Tochter des Polizisten gerettet hatte, wurde als Häftling Nr. 24061 mit etwa 50 weiteren jüdischen Männern aus Kaiserslautern im Konzentrationslager Dachau eingesperrt. Erst am 20. Dezember 1938 kam er wieder frei.16 Danach konnte er nicht mehr in seiner Heimatstadt bleiben.
Während seine Frau und Sohn Dieter bei Verwandten im Ortenaukreis Zuflucht suchten17, versuchte er nun doch zu emigrieren. Er flüchtete in die Niederlande.
Aus dieser Zeit gibt es einen Zeitzeugen-Bericht:
„Doktor Basch … landete in einem Asylbewerberheim in Sluis im zeeländischen Land. Als die Deutschen 1940 in die Niederlande einmarschierten, mussten sich alle Juden, die Deutschland nach 1933 verlassen hatten, melden. … Kurt Basch wurde in einer Garage in Nimwegen eingesetzt. … mein Bruder Leo kam …an der Garage vorbei, in der Doktor Basch arbeitete. Er bemerkte, dass dieser Mechaniker einen Davidstern trug … . Leo hatte Kontakte zum Untergrund und es wurde ein Plan geschmiedet, um zu verhindern, dass Kurt Basch zum Tode verurteilt wird. Bereits 1941 wurden Juden aus den Niederlanden in Konzentrationslager in Deutschland und Polen verschleppt … .
Am 23. März 1943 mussten alle Juden aus Brabant deportiert werden.
Von diesem Moment an nahm Kurt seinen Davidstern ab, weil er nicht mehr zu gebrauchen war, aber er ging einfach weiter in die Kirche und machte seine Kaffeebesuche. … Als Razzien angekündigt wurden, ging er vorübergehend zu Wout de Bie, der Förster war. … In den Wäldern gab es gute Verstecke, in denen man vorübergehend Unterschlupf finden konnte. Es ist ein großes Kompliment an die Einwohner von St. Anthonis, denn niemand hat ihn je verraten. Ein Anruf bei den Deutschen hätte ausgereicht, um eine große Katastrophe für das ganze Dorf auszulösen. …
Es war das enorme Vertrauen, das alle im Dorf zueinander hatten, wo jeder jeden kannte, das so etwas möglich machte.
Nach der Befreiung trampte Dr. Basch mit den englischen Soldaten nach Hause und nahm seine Praxis in Kaiserslautern in der Mozartstraße wieder auf.“ 18
In mehreren Zeitzeugen-Berichten ist die Verfolgung und die Flucht von Dr. Basch schriftlich dokumentiert. Es sind erschütternde Berichte über jahrelanges Leid in und fern der Heimat. Hier eine ausführlichere Fassung dieser Berichte:
„Die Verfolgung des Kaiserslauterer jüdischen Arztes Dr. Kurt Basch durch die Nationalsozialisten in den Jahren 1938 bis 1945.“
Dieter Basch, Sohn von Fanny und Kurt Basch erlebte als 8-jähriger die Pogromnacht:
Dieter Basch, geboren 29. Dezember 1929 in Kaiserslautern, gestorben am 16.9. 2010 in seiner Heimatstadt.
„Bei den Pogromen gegen die Juden am 10. November 1938 erlebte der junge Basch, wie die Praxis seines Vaters und die Wohnung zerstört wurden. … Seiner Frau und seinem Sohn Dieter gewährten Verwandte im Ortenaukreis Zuflucht.“19
Bei der Volkszählung am 17.5.1939 hielt sich Dieter zusammen mit seiner Mutter Fanny in Diersburg bei Offenburg in der Heimat seiner Mutter auf.20 Es gelang ihm untergetaucht, die Kriegszeit ohne Deportation zu überleben. Er studierte Jura, wurde Rechtsanwalt und lebte ab Mitte der 50er Jahre in Kaiserslautern im Elternhaus in der Kerststraße, wo er auch seine Kanzlei hatte.
Ein nicht alltäglicher Einsatz als Strafverteidiger war seine Bestellung zum Pflichtverteidiger im Kaiserslauterer Baader-Meinhof-Prozeß 1976.21
Erich Basch, Bruder von Kurt Basch
Über den Werdegang von Erich ist wenig bekannt.
Er war mit Gertrude (Ruth) Levi verheiratet (geboren am 15. März 1909 in Osthofen)22 und emigrierte in die USA, wo beide am 6.Mai 1938 in New York ankamen. Das Ehepaar wohnte 1950 in Baltimore/Maryland, wo Erich am 24.05.1980 starb. Ruth starb am 9.10.1987. Beide sind in Baltimore beigesetzt.23
Das Schicksal von Kurts Schwester Katharina Basch und Mutter Johanna Basch, geborene Kirschner ist in der Biografie zu den Stolpersteinen in der Kerststraße 29-31 beschrieben.
1945: Kurt Basch ist wieder fürsorglicher Arzt in Kaiserslautern
Nachdem die Familie im Sommer 1945 nach Kaiserslautern zurückgekehrt war, praktizierte Dr. Kurt Basch wieder in seinem Haus in der Mozartstraße 51.
Bis ins hohe Alter war er auch zu ungewöhnlichen Tageszeiten auch für unterprivilegierte Patienten im Einsatz. Er starb im hohen Alter von 94 Jahren am 19.4.1992 in Kaiserslautern.
„Ich frage:
Hat unser Volk die furchtbare Lehre des 9. November 1938 verstanden?
und wage es nicht, diese Frage zu beantworten.
Das können wir nur gemeinsam!
Wir sind unendlich viel ärmer ohne unsere jüdischen Brüder.
Mit ihnen waren wir unendlich viel reicher.“
Erich Lüth24
Quellen:
1 damals preußisch, heute Poznań/Polen
2 Foto: Gedenkbuch Münchner. Gedenkbuch der Münchener Juden (muenchen.de)
3 Familienregister im polnischen Staatsarchiv Poznań
4 Jahr- und Adreßbuch für die Nord-und Westpfalz mit besonderer Berücksichtigung der Stadt Kaiserslautern für das Jahr 1898, Emil Thieme Verlag Kaiserslautern
5 Adreßbuch der Stadt Kaiserslautern 1911, Westpfalz Verlag Kaiserslautern
6 Siehe Hermann Tietz Gründervater von Hertie . Es ist möglicherweise kein Zufall, daß die Warenhausgründer Hermann und Oscar Tietz aus Birnbaum bei Posen (heute Międzychód/Polen) und das Ehepaar Basch aus Posen (heute Pozań/Polen) stammen.
7 Verlustlisten 1. Weltkrieg, Seite 26225: Basch Kurt (Kaiserslautern, Pfalz) (genealogy.net)
8 Adreßbuch der Stadt Kaiserslautern 1927, Westpfalz Verlag Kaiserslautern
9 Adreßbuch der Stadt Kaiserslautern 1930 und 1936, Westpfalz Verlag Kaiserslautern
10 Foto aus einem Nachruf in der RHEINPFALZ kurz nach seinem Tod am 16.9.2010
11 Erich Ernst Lüth, *1902 – †1989, Hamburg, Publizist, 1933 bis 1935 Geschäftsführer Verband Deutscher Nähmaschinenhändler, Werbeleiter der G.M. Pfaff AG Kaiserslautern
12 Lüth Erich: Die Reichskristallnacht, Ein Tatsachenbericht von ERICH LÜTH, Vorsitzer der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit; vorgetragen in Bergneustadt am 9. November 1958 vor der Friedrich-Ebert-Stiftung, aufrufbar bei Erich Lüth über die Reichskristallnacht (norbertschnitzler.de)
13 Briefe von Anna und Dr. Leo Blüthe, veröffentlicht durch das Leo Baeck Institut: [November Pogrom 1938, Kaiserslautern]. (cjh.org)
14 Wiehn Erhard Roy, Zur jüdischen Geschichte der Pfalz und Kaiserslauterns, sowie weitere Judaica, Eine Hommage an Stadt und Region, Konstanz 2022, S.44+45
15 Lüth Erich: Die Reichskristallnacht, Ein Tatsachenbericht von ERICH LÜTH, Vorsitzer der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit; vorgetragen in Bergneustadt am 9. November 1958 vor der Friedrich-Ebert-Stiftung, aufrufbar bei Erich Lüth über die Reichskristallnacht (norbertschnitzler.de)
16 Arolsen Archiv
17 Gedenkbuch der Münchner Juden – https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=gedenkbuch_link&gid=690
18 Auszug aus dem Internet-Tagebuch von Jan Goossens, – google-Übersetzung aus dem Niederländischen – Blog-Tagebuch von Jan Goossens: Ein Kompliment an Sint Anthonis (roodbont.blogspot.com) und MtL – Mapping the Lives
19 Nachruf in der RHEINPFALZ kurz nach seinem Tod (16.9.2010)
20 mapping the lives: MtL – Mapping the Lives
21 Der Spiegel Nr. 46 / 07.11.1976 – Direkt flegelhaft – DER SPIEGEL
22 Gedenkseite für die Familie Levi, Osthofen – 20231109_kurzbiografie-auguste-levi.pdf (osthofen.de)
23 Dokumente der Einreise, der Volkszählung 1950 und Grabfoto aufrufbar bei familysearch: Ruth Gertrud Levi (1909–1987) • Person • Familienstammbaum • FamilySearch
24 Lüth Erich: Die Reichskristallnacht, Ein Tatsachenbericht von ERICH LÜTH, Vorsitzer der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit; vorgetragen in Bergneustadt am 9. November 1958 vor der Friedrich-Ebert-Stiftung, aufrufbar bei Erich Lüth über die Reichskristallnacht (norbertschnitzler.de)