Biografie Familie Eschwege

Recherche: Georg Emme

Paul Jacob Eschwege übernimmt in den 20er Jahren die Kartonagen- und Zigarrenstiftchenfabrik Dreyfuß & Co. des Schwiegervaters Emmanuel Dreyfuß (1865-1940 gest. in Gurs) in der Glockenstrasse 38. Das Adressbuch von Kaiserslautern 1938 führt den Beruf von Paul Jacob Eschwege mit „Kaufmann“. Am 10.11.1938 wird Paul Jacob Eschwege in das KZ Dachau deportiert, wo er bis Mai 1939 inhaftiert bleibt. Wie Tochter Carmen Judith berichtet, sei er „abgemagert und zur Unkenntlichkeit gequält“ zurückgekehrt. Unterdessen werden Erna Eschwege und Tochter Carmen Judith aus Kaiserslautern nach Mannheim ausgewiesen. Sowohl Ruth Sophie als auch Carmen Judith waren Schülerinnen bei den Franziskanerinnen. Ruth Sophie ist nach 1938 auf ein jüd. Internat nach Frankfurt/M. geschickt worden.

Die Wohnung der Familie Eschwege in der Königstrasse 57 wurde nach der Pogromnacht am 09./10.11.1938 geschändet und zerstört.

1939 wird die jüngste Tochter, Carmen Judith auf einen Kindertransport nach Frankreich, zuerst nach Strasbourg und von dort mit gefälschten Papieren nach Lyon in die unbesetzte Zone Frankreichs geschickt. Dort arbeitet sie als Kindermädchen und kann von dort auf die Insel Korsika flüchten, wo sie den Zweiten Weltkrieg überlebt. Anders erging es Ruth Sophie, die am 20.10.1940 gemeinsam mit Ihrer Mutter Erna Eschwege und dem Vater Paul Jacob Eschwege von Mannheim aus nach Gurs gebracht wird. Dort wird die Familie getrennt. Erna Eschwege wird von Gurs in das Lager Noé gebracht und dann mit Transport 76 über Drancy am 30.6.1944 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Das genaue Todesdatum in Auschwitz ist nicht bekannt.

Tochter Ruth Sophie wird Auschwitz überleben und „extrem abgemagert und schwer krank“ danach in Frankreich in der Nähe von Paris in einem Überlebenden Camp von ihrer Schwester Carmen Judith wiedergefunden. Das Erlebte hat sie zu einem gebrochenen und schwer kranken Menschen gemacht, so die Aussage der jüngeren Schwester. Bis zu ihrem Tode 1996 lebt Ruth Sophie in Neuilly-sur-Seine bei Paris.

Der Vater Paul Jacob Eschwege wird von Gurs in die Lager Rivesaltes und Noé gebracht. Seine Lebensgeschichte ist von da an weitgehend unklar. Er überlebt schwer erkrankt in einem Sanatorium in Combo-les-Bains und stirbt dort 1947.

Die Familie erlebte ein Martyrium seit 1938. Carmen Judith Blum hat sich zeitlebens zur Aufgabe gemacht, Ihre Familiengeschichte zu erzählen. Deshalb war sie von den Franziskanerinnen eingeladen worden Vorträge an ihrer ehemaligen Schule zu halten. Ihrer Offenheit ist es zu verdanken, dass wir die Lebensgeschichte der Familie Eschwege erfahren konnten.

„Vergessen können wir – die Überlebenden- nicht.
Aber mit Hass kann die Welt nicht vorwärts gehen.“

Carmen Judith Blum 2005

Familienmitglieder

Erna Eschwege, geb. Dreyfuß

Geboren am 20. September 1896 in Offenburg (Baden).
Gestorben nach 30. Juni 1944 in Auschwitz

Paul Jacob Eschwege

Geboren am 05. März 1882 in Fulda
Gestorben 1947 im Sanatorium in F-64250 Combo-les-Bains (Frankreich, Dép. Pyrénées-Atlantiques)

Ruth Sophie Eschwege

Geboren am 12. März 1922 in Kaiserslautern
Gestorben 1996 in F-92200 Neuilly-sur-Seine (Frankreich)

Carmen Judith Blum, geb. Eschwege

Geboren am 27. Mai 1924 in Kaiserslautern
gestorben am 26. März 2012 in F- 92200 Neuilly-sur-Seine (Frankreich)

Verwendete Quellen:

  • Unterlagen aus dem Stadtarchiv Kaiserslautern, u.a. Meldeunterlagen, Fotos des Wohnhauses.
  • Zeitungsartikel Rheinpfalz vom 7.9.2000 „Vielleicht hat er die Mutter getötet“.
  • Brief von Judith Carmen Blum Juni 2005.
  • Erzählung von Mme. Martine Suissa (Grenoble).
  • Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945, Bundesarchiv Stand: 29.10.2012 Kaiserslauterer Juden als Opfer der Verfolgung der Nazizeit 1938-1945.
  • Zusammenstellung von Bernhard H. Gerlach und Roland Paul. Zum 50. Jahrestag der Deportation der pfälzischen und badischen Juden nach Gurs. Oberbürgermeister Piontek überreicht am 22.10.1990. 11. ergänzte Fassung 9.11.2011.
  • The Central Database of Shoah Victims’s Names
  • Yad Vashem
  • VVN-BdA Kaiserslautern Opfer des Faschismus der Kaiserslauterer Jüdischen Gemeinde