Recherche: Bernadette Künzel-Geiler
Jetty und Josef Schönfeld waren jüdischen Glaubens und wurden beide in Galizien geboren, Jetty, geb. Auerbach, 1895 in Zloczow und Josef 1894 in Sniatyn. Somit waren beide bei ihrer Geburt Untertanen des österreichischen Kaisers.
1908 zog Jetty mit ihren Eltern und den Geschwistern nach Kaiserslautern, wo der Vater ein Schuhgeschäft eröffnete. Nach einigen Jahren konnte die Immobilie in der Kerststr. 22 erworben werden1.
Josefs Jugend verlief stürmischer, denn nach der Schulausbildung wurde er im ersten Weltkrieg Soldat der KuK-Monarchie und geriet für fast vier Jahre in französische Kriegsgefangenschaft, zuerst in Marseille, dann in Le Puy. Er nutzte diese Zeit gut und erlernte mehrere Sprachen2.
Nach der Entlassung aus der Gefangenschaft begab er sich nach Kaiserslautern und heiratete 1922 Jetty Auerbach. Zunächst wohnte das junge Paar im Haus der Eltern. Hier wurden auch die beiden ersten Kinder geboren: 1923 Ruth und 1924 Manfred.
In dieser Zeit war Josef Schönfeld am Geschäft seines Schwagers Leo beteiligt.
Erst als 1926 die Geburt des dritten Kindes Friedrich bevorstand, zog Familie Schönfeld in die Steinstraße.
1928 wurde dann das Haus in der Mozartstr. 41 erworben. Dieses Haus wurde im Krieg nicht zerstört3.
Ab ca. 1930 führten Leo und Josef getrennte Geschäfte und Josef Schönfeld eröffnete ein Schuhgeschäft namens „EPE“ in der Eisenbahnstr. 84. Der rätselhafte Name „EPE“ könnte eventuell für „Einheitspreis“ stehen, denn dort wurden elegante Schuhe sehr erfolgreich zu einem vermutlich recht günstigen Preis verkauft.
Dies wurde der Familie bald zum Verhängnis, denn eine Notverordnung vom 9.3.1932 schränkte den Betrieb solcher Einheitspreisgeschäfte stark ein.
Während Josef ab Ende 1932 einige Monate bei seiner Familie in Kattowitz verbrachte, führte Jetty das Geschäft alleine nun im Erdgeschoss des Hauses in der Mozartstraße weiter.
Bei seiner Rückkehr aus Polen wurde Josef am 30. März 1933, also unmittelbar vor dem Boykottaufruf gegen jüdische Geschäfte, verhaftet und in das Konzentrationslager Enkenbach gebracht, das für politische Häftlinge vorgesehen war.
Über die wahren Gründe der Haft kann man nur spekulieren. Allerdings war wenige Wochen zuvor gegen Josef Schönfeld Anklage wegen eines Verstoßes gegen die oben erwähnte Notverordnung vom 9. März 1932 erhoben worden5. Josef Schönfeld schreibt dazu selbst, dass er u. a. verurteilt wurde „zu 100 oder 150 Mark Geldstrafe für ein angeblich störendes Anhängeschild mit dem Worte „Epe Schuhhaus“, angebracht am Hause der Frau. Dieses Schild war schon 1931 angebracht gewesen, aber von niemandem – bevor Hitler kam – beanstandet worden.“ Dies könnte als Verstoß gegen §2 der genannten Notverordnung gewertet worden sein.
In einem Zeitungsbericht wird er als Schutzhäftling genannt, „gegen den verschiedene Verfahren im Gange sind, die aber bisher noch nicht zum Erlaß eines richterlichen Haftbefehls geführt haben“6 .
Wie dem auch sei, Josef plante alsbald gemeinsam mit einem Mitglied der KPD einen Ausbruch aus dem Lager in Enkenbach und führte diesen auch mithilfe seiner Frau und einer Verkäuferin Anfang Mai durch.
In einem Artikel in der „Pfälzischen Presse“ vom 9. Mai 1933 wird er als politischer Häftling bezeichnet. Wir erfahren folgendes: Mit einem Taxi, das die Verkäuferin angemietet hatte, flohen die beiden Männer und die Verkäuferin zuerst nach Ludwigshafen zu einem Schwager und nach einer kurzen Pause nach Mannheim, wo die Flüchtigen von der Polizei in einem Hotel entdeckt wurden. Trotz seiner Flucht aus dem Fenster und über die Dächer konnte Josef Schönfeld gefasst werden.
Nun hatte er eine mehrmonatige Haftstrafe zu verbüßen, zunächst in Kaiserslautern wegen der „Gefangenenbefreiung“ und anschließend in Zweibrücken wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Opiumgesetz. Auch Jetty und die Verkäuferin wurden wegen Beihilfe zur Flucht für einige Wochen inhaftiert7.
Nach Verbüßung der Strafe in Zweibrücken wurde Josef Schönfeld aus dem Deutschen Reich ausgewiesen.
Aus diesem Grund verließ er am 1.1. 1934 Kaiserslautern und fand in Paris Zuflucht.
Nach dem Verkauf des Hauses und der letzten Geschäftsbestände begaben sich auch seine Ehefrau und die Kinder im April 1934 nach Frankreich8.
Schon bald folgte ein weiterer Schicksalsschlag: Im November 1934 starb der jüngste Sohn Friedrich in Paris an einer Krankheit9.
Nach wenigen Jahren trug Jetty wieder alleine die Verantwortung für die Familie, denn Josef meldete sich als Freiwilliger zu den Internationalen Brigaden in Spanien zum Kampf gegen Franco und den Faschismus. Verletzt kehrte er aus Spanien zurück, verlor aber seinen Kampfgeist nicht und trat 1940 der polnischen Exilarmee bei.
Über diese Tätigkeit bei der polnischen Armee und die persönlichen Folgen für Josef berichtet die Nichte folgendes: „Im 2. Weltkrieg kämpfte er in der polnischen Division gegen die Deutschen. In Afrika (…) geriet er wieder in Gefangenschaft. Es gelang ihm auszubrechen und zu den englischen Linien zu kommen. Die Engländer schickten ihn nach Schottland. Dort war ein Lager der polnischen Division. Von dort gelang es ihm nach London zu kommen.“ 10
In London fand Josef wiederum eine neue Heimat. Hier lebte er bis zu seinem Tod im Jahre 196511.
Seine Frau und die Kinder hatten ein ganz anderes Schicksal.
In Paris waren sie von der „Razzia des Wintervelodroms“ am 16./17.07.1942 betroffen, die sich gegen staatenlose und ausländische Juden richtete.
Einige Tage nach ihrer Verhaftung wurden sie in das Lager Drancy verlegt. Sohn Manfred sollte vermutlich bereits am 19.07. mit dem Transport Nr. 7 deportiert werden, aber es muss gelungen sein, ihn zurückzustellen, denn sein Name befindet sich auch auf der Liste für den Transport Nr. 10.
Manfred, Ruth und ihre Mutter Jetty wurden also gemeinsam am 24.07.42 nach Auschwitz deportiert und fanden dort nach ihrer Ankunft am 29.07.1942 den Tod12.
Zwei Wochen vor der Internierung, am 29.6.1942, hatte Ruth noch eine Postkarte an ihren Vater geschickt, der sich zu dieser Zeit in Algerien aufhielt.
Ihren letzten Gruß schrieb sie auf Französisch, denn die Korrespondenz mit dem besetzten Frankreich war nur vermittelst Postkarte und in Landessprache erlaubt.
Die folgende Übersetzung stammt von Josef Schönfeld selbst:
„Mein teurer Papa,
Ich erhielt heute morgen Deine Postkarte. (…) Die Familie Milleroux hat (…) genug zu tun, um uns Lebensmittelpakete zukommen zu lassen. Am besten, wenn man einfach den Lauf der Geschehnisse abwartet (…). Was auf mir am meisten lastet, ist, dass ich mich wie in einem Gefängnis eingeschlossen fühle. Ich bin wie ein kleines Vögelein, welches sich nach ein klein wenig Freiheit sehnt. Fred wird wahrscheinlich für 15 Tage zu Familie Chauvin nach Mousseaux gehen. Das wird ihm gut tun. Ich gebe ihm viel Kalzium für die Knochen, weil er noch immer im Wachsen ist. Ich umarme Dich, Ruth“13
Anmerkungen und Quellen:
Fotos: Privatbesitz Michal Auerbach
- Meldekarte Moses Wolf Auerbach
- Brief Michal Auerbach vom 3.12.2017 und www.grandeguerre.icrc.org, P.A.S. 903, Zugriff 28.07.2018
- Meldekarte Josef Schönfeld, Adressbuch der Stadt Kaiserslautern 1925/26
- Adressbuch Kaiserslautern 1930/31
- Akte 207879, S. 21 und Akte 207878, S. 1, Amt für Wiedergutmachung Saarburg. Die Notverordnung findet man auf https://commons.wikimedia.org unter /File:Deutsches_Reichsgesetzblatt_32T1_015_0121.jpg
- Pfälzische Presse, 8. Mai 1933, S. 3
- Akte 207879, S.21
- Meldekarte Josef Schönfeld, Akte 207879, S. 23
- Todesurkunde 4198, Paris 20e, 1934, archives.paris.fr
- Brief Michal Auerbach vom 3.12.2017
- E-Mail von Louise Harrison aus den London Metropolitan Archives, 17.04.2018
- http://bdi.memorialdelashoah.org/internet/jsp/media/MmsMediaDetailPopup.jsp?mediaid=1849 und http://bdi.memorialdelashoah.org/internet/jsp/media/MmsMediaDetailPopup.jsp?mediaid=1850
(Zugriff: 28.07.2018);
http://ressources.memorialdelashoah.org/zoom.php?code=26092&q=id:p_241553&marginMin=0&marginMax=0&curPage=0
(Zugriff: 29.01.2019) - Akte 207879, S. 53