Recherche: Heike und Gregor Spengart
Salomon Willi Bender, 6. und damit jüngstes Kind der Familie Bender, geb. 9. Juli 1893, gest. 1942 in Auschwitz.
Salomon ist 7 Jahre alt, als seine Mutter stirbt.
April 1908 – Juni 1910 wohnhaft in Frankenthal, Kaufmannslehrling in Frankenthal
1910: 17-jährig eingewiesen in die Heil- und Pflegeanstalt Homburg
Akteneintrag:
- Mutter 48-jährig gestorben an Geisteskrankheit
- Onkel in Saargemünd / Irrenanstalt gestorben
- Bruder 1904 in Klingenmünster/ Irrenanstalt gestorben
„Im April 1910 wurde er auf den Kopf gehauen.“ Am 20. Mai 1910 war er tobsüchtig geworden.“ – Veronal und Opium verabreicht
24.Juli 1910 Gutachten Landgericht Kaiserslautern: „Es wird bescheinigt, dass Willi Salomon Bender geistesgestört ist.“
22. Juli 1910: Ortskrankenkasse Frankenthal übernimmt die Kosten für Unterbringung und Verpflegung in der Heil- und Pflegeanstalt Homburg
Im November 1910 kann Vater Simon Bender die Verpflegungskosten für die 3. Klasse nicht mehr aufbringen. Willi wird in die 4. Verpflegungsklasse eingestuft, d.h. die Stadt Kaiserslautern übernimmt 85 Pfennig für seine Verpflegung pro Tag. Vom 23. Dezember 1910 bis 26. Juni 1911 wohnt er zu Hause beim Vater. Am 26. Juni 1911 wird Willi Salomon Bender erneut nach Homburg eingewiesen. Am 1. September 1911 holt der Vater trotz Ablehnung der Ärzte seinen Sohn auf eigene Verantwortung nach Hause.
Am 20. Februar 1913 wird er wieder in Homburg in die Heil- und Pflegeanstalt eingeliefert.
Am 27. März 1913 holt der Vater seinen Sohn erneut auf eigene Verantwortung nach Hause, hier jedoch mit einem ärztlichen Attest und der Formulierung: „Gegen eine Entlassung bestehen keine Bedenken.“
19. Mai 1913: offizielle Entlassung aus der Heil- und Pflegeanstalt Homburg. Diagnose: Schwachsinnigkeit/ Dementia praecox (Heute: Psychose)
Willi wird entlassen als „ruhig und geordnet“. Entlassungsbogen: „keine günstigen Heilungsaussichten“
17. Oktober 1913: Einlieferung in Homburg
7. Januar 1914: Vater holt ihn erneut nach Hause
20. Januar 1914: Entlassung aus der „Anstalt“
Vom 28. Juli 1910 bis 20. Januar 1914 war Willi Salomon Bender also viermal in der Heil- und Pflegeanstalt Homburg untergebracht.
6. November 1915: Einzug zum Militär
24. November 1915: Vereidigung
14. Januar 1916: Schreiben vom Militär: „Der geisteskranke Heeresangehörige soll wieder eingeliefert werden in die Heilanstalt“
4. Februar 1916: Salomon Willi wird aus der Heilanstalt entlassen und muss zurück zum Militär
19. September 1918: Strafsache gegen Willi Salomon Bender – Sittlichkeitsverbrechen
Tod des Vaters Simon Bender am 24. Januar 1919
Am 11. April 1919 wird Salomon Willi in die Männerabteilung Homburg eingeliefert. In einem Brief an seine Schwester Flora schreibt er: „Muss sechs Wochen hier (Homburg) bleiben.“
Seit Juli 1918 hat er mit Flora zusammen in der Bruchstraße 8 in Kaiserslautern gewohnt.
Vom 23. Juni 1922 bis 8. Juli 1922 muss er vermutlich bei seiner Schwester Berta in Düren verweilt haben, die dort mit Joseph Roer verheiratet war.
Am 23. April 1927 kommt es zu einer Gerichtsverhandlung, wegen „Notzuchtsversuchs“. Am 27. Juni 1927 wird er in die Heilanstalt Heidelberg eingewiesen. Daraufhin muss Willi vom 6. Juli 1927 bis zum 10. Oktober 1929 eine Gefängnisstrafe im Gefängnis Zweibrücken verbüßen.
Am 12. August 1929 beantragt Willi Salomon Bender selbst die Aufnahme in der Pflege- und Heilanstalt Klingenmünster. (Aufgrund von Geschlechtskrankheit im Gefängnis? – das ist die Vermutung)
Am 25. November 1929 wird ein Gutachten erstellt, in dem zu lesen ist: „Gemeingefährlichkeit aufgrund seiner Schizophrenie“ Im Mai 1930 setzt sich sein Schwager Joseph Roer für seine Entlassung ein. Er ist der Meinung, Willi werde gewaltsam festgehalten. Auch Flora erbittet seine Entlassung aus der „Irrenanstalt Klingenmünster“.
1931: Joseph Roer bietet an, Willi bei sich zu Hause aufzunehmen; auch ein Onkel aus Schifferstadt ist bereit, ihn in seinem Betrieb einzustellen.
Am 1. Juli 1932 wird Willi rückwirkend zum 6. Dezember 1931 aus Klingenmünster entlassen.
Am 17. Oktober 1933 wird Willi dann endgültig aus Klingenmünster entlassen, nachdem ein Schreiben vom Bürgermeisteramt Kaiserslautern nach Klingenmünster ging.
Seit November 1928 ist Willi zusammen mit seiner Schwester Flora wohnhaft in der Glockenstr. 37 in Kaiserslautern gemeldet.
Ab November 1932 wohnt Willi Am Stadtweiher 1 und Flora in der Lutrinastraße in Kaiserlautern.
Von August 1933 bis Juni 1940 wohnt er gemeinsam mit seiner Schwester Flora in der Wagnerstr.7, dem letzten offiziellen Wohnsitz der beiden. Flora war schon im Juli 1933 dort gemeldet.
Am 19. Januar 1939 schreibt Flora Bender einen Brief an die „Irrenanstalt Klingenmünster“ mit folgendem Wortlaut:
„Mein Bruder Willi befindet sich seit 12. November 1938 im KZ Dachau. Zu seiner Entlassung wird eine Bestätigung verlangt, dass derselbe vor längerer Zeit (genaues Datum kann ich nicht angeben) in Ihrer Anstalt war.
Für Ihre Bemühungen danke ich Ihnen im Voraus bestens!
Ergebenst
Flora Bender“
Brief Flora Bender
Diese Anfrage wurde am 7. Februar 1939 beantwortet und mit einer Rückfrage versehen, ob der Bruder schon sterilisiert sei.
Anfang Juni 1940 sind er und seine Schwester Flora in die Klosterstr. 21 verzogen, von dort wurden Flora und Willi am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert.
Salomon Willi wurde in Gurs am 16. September 1941 mit einer Woche Gefängnis bestraft, weil er versucht hatte, Kleider, die er von den Quäkern überlassen bekam, zu verkaufen.
Am 6. August 1942 kam er ins Lager Drancy und von dort am 10. August 1942 nach Auschwitz, wo er ermordet wurde.
Seine Schwester Flora starb am 26. Januar 1942 im Lager Gurs in Südfrankreich.
Nebeninformation:
Dieses Lager galt als Durchgangsstation, auch Transit- Ghetto. Es lag südöstlich von Lublin in Polen, nahe der Grenze zur Ukraine. Dort wurden die Häftlinge auf vorhandene Wohnungen verteilt, ohne Umzäunung. Das Verbot bei Todesstrafe das Lager zu verlassen und weiträumige Überwachung genügten, da die Ortschaft sehr abgelegen lag und somit die Fluchtgefahr gering war.
Wohnorte der Familie Bender bzw. der Geschwister Flora und Salomon Willi:
Insbesondere die Geschwister Flora und Willi Bender sind innerhalb von Kaiserslautern sehr häufig umgezogen, wie folgende Auflistung zeigt (die Daten nennen jeweils den Zeitpunkt der Meldung):
1. April 1910: Fackelstraße 22
7. Juli 1914: Luisenstraße 2
4. Juli 1917: Mannheimerstraße. 4
26. Juli 1918: Bruchstraße 8
Salomon Willi wurde von 1910 – 1919 immer wieder in der Heil-und Pflegeanstalt Homburg untergebracht.
Am 24. Januar 1919 verstirbt Simon Bender, der Vater der Familie.
1. August 1927: Pirmasenserstraße 21 (hier wohnt nur Flora Bender)
23. Oktober 1928: Glockenstraße 37 (Flora und Salomon)
Salomon Willi
ist von 1927 – 1929 im Gefängnis Zweibrücken bzw. in der Irrenanstalt Klingenmünster – bis 1932
17. November 1932: Lutrinastraße (Flora)
18. November 1932: Am Stadtweiher 1 (Salomon)
5. Juli 1933: Wagnerstraße 7 (Flora)
9. August 1933: Wagnerstraße 7 (Flora und Salomon)
November 1938 bis Februar 1939?: Salomon Willi interniert im KZ Dachau
6. Februar 1940 Klosterstraße 21 (Flora und Salomon)
Deportation nach Gurs am 22. Oktober 1940: Die Geschwister von Flora und Willi
Benjamin Bender
geb.: 17.4.1876 in Kaiserslautern
emigriert nach USA: 24.4.1896
lebte noch 1916
Otto Eugen Bender
geb.: 3.11.1878 in Kaiserslautern,
gest.: 21.3. 1904 in Klingenmünster (Nervenheilanstalt)
Karoline Bender
geb.: 8.4.1885 in Kaiserslautern,
gest.: 15.10.1886
Bertha Bender
geb.: 23.4.1887 in Kaiserslautern,
1907 umgezogen nach Witten/Ruhr,
1911 umgezogen nach Düsseldorf
verheiratet mit Joseph Roer (geb.:17.6.1885 in Köln)
am 2. November 1942 ermordet in Izbica/Polen
Aus der Ehe mit Joseph Roer gingen zwei Kinder hervor:
Ilse Roer *1920
Ruth Roer *1923
Otto Eugen Bender (3. Kind der Familie)
* 3. November 1878 in KL 21. März 1904 in Klingenmünster
Tod der Mutter am 3. Februar 1899
Otto Eugen war Infanterist im 23. Infanterie-Regiment/ 5. Kompanie.
Diensteintritt: 25. Oktober 1899 Vereidigung: 3. November 1899
12. Mai 1900 krank: Grippe
15. Juni 1901 Geisteskrankheit/Aufnahme in das Lazarett Saargemünd
Am 10. Juli 1901 als ungeheilt entlassen und am gleichen Tag Aufnahme in der „Irrenanstalt Klingenmünster“ zur Weiterbehandlung
6. Januar 1902 beurlaubt, 16. Januar 1902 zurück in die Heilanstalt nach Klingenmünster, am 21. März 1904 in Klingenmünster verstorben. Todesursache: allgemeine Tuberkulose, „nicht im ursprünglichen Zusammenhang mit der Geisteskrankheit“. So steht es in einem Schreiben vom 2. September 1904 aus Klingenmünster. Bender, Julius: (evtl. Bruder von Simon Bender?)
In Auschwitz endete auch das Leben des in der Neustadter-Lagerliste genannten, 1880 in Lohnsfeld geborenen Winnweilerer Kaufmanns Julius Bender. Ihm gehörte bis 1937 ein stattliches Anwesen in Winnweiler, in welchem Bender ein Kaufhaus mit Kolonial- und Manufakturwaren betrieb, das er dann 1937 unter politischem Druck verkaufen musste. Werner Rasche schrieb in einem Artikel „Auf den Spuren jüdischer Bürger. Ein Rundgang durch Winnweiler“ über ihn: „Julius Bender war ein angesehener Bürger, der viele Jahre das Amt des Feuerwehrkommandanten wahrnahm, lange Jahre Mitglied des Gemeinderates und Vorstandsmitglied in einer Reihe von örtlichen Vereinen war.“ Julius Bender emigrierte offenbar nach Frankreich und wurde dort interniert. Am 4.November 1942 kam er jedenfalls mit Transport Nr. 40 vom Lager Drancy nach Auschwitz.