Recherche: Michael Wiesheu und Karl Heinz Apfeld Stand 10.6.2018
geboren am 18.4.1900 in Kaiserslautern,
gestorben am 7.3.1942 im Konzentrationslager Dachau
Kindheit und Familie1.):
Wilhelm Franzreb wurde am 18.4.1900 als Sohn von Peter Franzreb und Elisabeth, geb. Koppenhöfer (aus Hochspeyer) in Kaiserslautern geboren. Der Vater war von Beruf Kaufmann. Wilhelm hatte zwei Brüder, die beide heirateten: Viktor (lebte in Hochspeyer und war Bahnarbeiter) und Heinrich (wohnte in Frankenstein und war Zimmermann).
Im Jahr 1925 wohnte die Familie in der Kanalstraße 15 in Kaiserslautern. Wann Wilhelm das Elternhaus verlassen hatte, ist nicht bekannt. Er war bis 29.7.1929 in Marnheim gemeldet und zog dann in die Klosterstraße 31 nach Kaiserslautern (wo Michael Franzreb gemeldet war, der wahrscheinlich ein Verwandter von ihm war). Am 27.1.1930 meldete er sich nach Otterberg ab.
Auf Wanderschaft2.):
Von Beruf war er Spengler, wechselte oft den Aufenthaltsort und lebte von Gelegenheitsarbeiten.
Am 11.10.1935 wurde er von der Gendarmerie Steinfeld in der Südpfalz wegen Landstreicherei festgenommen. Er gab an, er sei er auf Wanderschaft nach Frankfurt, Darmstadt, Mainz, Worms und Kirchheimbolanden gegangen. In Kirchheimbolanden habe man ihn festgenommen und er sei vom 28.8. bis 3.10.1935 inhaftiert worden, weil man ihm die Äußerung unterstellt habe, die Regierung im Reich hätte auch noch nichts Gutes gebracht. Nach der Haft sei er über Lauterecken, Zweibrücken, Rodalben, Münchweiler und Bergzabern nach Steinfeld gekommen. Die Polizei oder er selbst hätten die Übernachtung in Herbergen bezahlt; er hätte nicht gebettelt.
Der mit Wilhelm Franzreb festgenommene Begleiter Wilhelm Grünewald gab an, man habe über die Grenze ins Elsass gewollt.
Die Polizei veranlasste am 17.10.1935 bis auf weiteres die Polizeihaft und informierte insgesamt 7 Polizei- und Gestapo-Stellen im Südwesten sowie per Fernschreiben „an die politischen Polizeien der Länder“ und stellte sehr aufwändige Ermittlungen über das Vorleben an. Es solle geprüft werden, „ob nicht die gesetzlichen Voraussetzungen zum Erlass sicherheitspolizeilicher Massnahmen (z.B. Art. 9, Abs. I und Art. 10 Abs. I des Zigeuner- und Arbeitsscheuengesetzes GVBl. 359) gegeben sind.“
Die Nachforschungen ergaben, dass Wilhelm Franzreb sich bei dem Otterberger Landfahrer Michael Engel die Sommer über in bzw. bei dessen Wohnwagen aufgehalten habe; er sei mit Kurzwaren „hausierend umhergetrieben“ und dann mit der Familie Engel im Winter 1929 nach Otterberg zurückgekehrt und habe in deren Wohnhäuschen überwintert.
Erstmals am 30.1.1930 habe er sich in Otterberg polizeilich angemeldet.
Im Frühjahr 1930 habe er Otterberg mit der Familie Engel wieder verlassen. Ab und zu sei er in den folgenden Wintern wieder bei der Familie gewesen. Er habe angegeben, die Sommer über unter dem Wohnwagen der Engels zu nächtigen.
Seit Frühjahr 1934 sei er aus Otterberg verschwunden. Er hätte eine Haftstrafe, die er wegen verbotenen Hausierens erhalten habe, abbüßen sollen, konnte jedoch erst am 22.5.1934 zufällig auf dem Fröhnerhof beim Hausieren festgenommen werden und kam ins Amtsgerichtsgefängnis Wolfstein zur Verbüßung seiner Haftstrafe. Seither war er aus Otterberg verschwunden.
Er sei vorbestraft, wegen Bettelns; wegen versuchten Diebstahls, Unterschlagung und wegen Hausiersteuerhinterziehung. Der berichtende Otterberger Gendarm Kall sah „die Voraussetzungen für sicherheitspolizeiliche Massnahmen für vollauf gegeben.“
Verurteilung, Unterbringung im Arbeitshaus und in Rodgau2.):
Das Amtsgericht Bergzabern unter Vorsitz von Amtsrichter Forstmaier verurteilte Franzreb am 8.11.1935:
„Der Angeklagte wird wegen Landstreicherei unter Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft zu einer Haftstrafe von 6 Wochen verurteilt. … Es wird die Unterbringung des Angeklagten in das Arbeitshaus St. Georgen-Bayreuth angeordnet. …Der Angeklagte gehört nach Überzeugung des Gerichts zu jenen Elementen, die einer geregelten Arbeit aus dem Wege gehen und es vorziehen, auf mühelose Art und Weise, nämlich durch Landstreicherei und gewerbsmäßigen Bettel ihren Lebensunterhalt zu fristen. … Unter diesen Umständen und ferner mit Rücksicht auf die Bestrebungen der Reichsregierung das Landstreicher- und Bettlerunwesen auszurotten, das bereits zu einer Land[pla]ge geworden war, erschien es angemessen, die Höchststrafe von 6 Wochen Haft auszusprechen.“
Das Bezirksamt Bergzabern kündigte die Unterbringung im Arbeitshaus für den 26.11.1935 an.
Im Arbeitshaus Bayreuth-St. Georgen waren laut Bundesarchiv Koblenz die Tätigkeiten der Zwangsarbeiter: „Hauptsächlich Herstellung von Bekleidung: Instandsetzen von Leibriemen, Anfertigung von Holz- und Schnürschuhen, Benageln von Bergschuhen, Stricken von Pullovern für Heer und Marine, sowie Stricken von Kapuzen für den BDM. Sortieren und Zertrennen, Aufträufeln und Zerschneiden von Wollsachen und Uniformstücken”6.).
Wie lange Wilhelm Franzreb in Bayreuth gefangen war ist nicht bekannt, er kehrte im Herbst 1936 nach Kaiserslautern wieder zurück und meldete am 23.10.1936 eine Wohnung in der Friedenstrasse 15 an (bei Welsch). Jedoch nur für kurze Zeit1.):
Am 29.2.1937 wurde er laut Einwohnermeldekarte des Stadtarchivs nach Rodgau abgemeldet. Der Eintrag enthält den Zusatz „Gefängnis“1.). Möglicherweise wurde er in das Gefangenenlager Rodgau I (das zur Vollzugsanstalt Dieburg gehörte) eingeliefert5.). Der Grund ist nicht bekannt.
Letzte Adresse in Kaiserslautern:
Von Rodgau zurück in Kaiserslautern war er laut Meldekarte am 1.7.1940 und meldete sich am 1.8.1940 unter der Adresse Blechhammer 1 an. Das dortige Hotel „Zum Blechhammer“ wurde von Ernst Henn betrieben4.).
Das war die letzte Kaiserslauterer Wohnadresse von Wilhelm Franzreb1.).
Fluchtversuch endet im Konzentrationslager:
Im Jahr darauf am 5.7.1941 informierte SS-Untersturmführer Wendle von der Grenzpolizei Mühlhausen im besetzten Elsass die Gestapo in Neustadt, dass Wilhelm Franzreb am 27.5.1941 beim Versuch des unerlaubten Grenzübertritts in Richtung Schweiz festgenommen und in die Strafanstalt Mühlhausen eingeliefert wurde2.).
Er habe angegeben, zuletzt bei Fuhrunternehmer Ernst Henn in Kaiserslautern in Arbeit gestanden zu haben. Wegen Streitigkeiten habe er diesen Arbeitsplatz am 22.5.1941 verlassen mit der Absicht, zunächst im Elsass und dann in der Schweiz Arbeit zu suchen.
Am 14.11.1941 wurde er im KZ Dachau mit der Haftnummer 28655 eingeliefert. Er kam in die Häftlingskategorie AZR („Arbeitszwangshäftlinge Reich“)3.),7.).
Er starb im KZ Dachau am 17.3.1942. Die Todesursache wurde nicht angegeben3.).
Es sind keine Verwandten oder Zeitzeugen bekannt, die sich noch an den Ermordeten erinnern. Im Raum Hochspeyer leben die Nachkommen des Bruders Heinrich.
Wilhelm Franzreb gehört wie viele andere zu den weitgehend vergessenen Verfolgten der NS-Zeit. Da er in seinem Leben überwiegend auf Wanderschaft war und keine dauerhafte Heimat zu haben schien, wurde als Ort seines Gedenkens das St. Christophorusheim in der Logenstrasse 44 gewählt.
Quellen:
1) Stadtarchiv Kaiserslautern, Einwohnermeldekarte der Stadt Kaiserslautern
2) Gestapoakte beim Landesarchiv Speyer H 91 Nr. 2782 (soweit im folgenden Text nichts anderes vermerkt ist, beziehen sich die Angaben auf Dokumente aus dieser Akte
3) Auskunft der Gedenkstätte Dachau vom 30.3.2017
4) Adreßbuch Kaiserslautern 1925
5) Mitteilung von Herrn Dr. Rudolf Ostermann, Verein für multinationale Verständigung Rodgau e.V. vom 18.4.2018
6) Siehe: Bundesarchiv Koblenz: Zwangsarbeit im NS-Staat; Haftstättenverzeichnis; siehe: https://www.bundesarchiv.de/zwangsarbeit/haftstaetten/index.php?action=2.2&tab=7&id=384
7) Wolfgang Ayass: Die Aktion Arbeitsscheu Reich, S.8; siehe: http://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/bitstream/urn:nbn:de:hebis:34-2007013116965/3/AktionArbeitsscheuReich.pdf
8) Wikimedia: Foto Francisco Santos, siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:1991.09.21.de.ba.Dachau.jpg
9) Stadtarchiv Kaiserslautern